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Donnerstag, 31. März 2011

Verödungsbehandlung der Varikosis: Diagnostik vor Sklerotherapie

Die Sklerotherapie setzt ein planvolles Vorgehen voraus, weshalb vor der Behandlung eine ausreichende Diagnostik erfolgen muss. Es macht wenig Sinn, kosmetisch störende Besenreiser zu veröden, wenn übergeordnete größere Venen ein unbehandeltes Klappenproblem haben sollten: die Besenreiser werden entweder nicht verschwinden oder aber relativ kurzfristig erneut auftreten.  Zur „Minimal-Diagnostik“, die bei den meisten Patienten ausreichen dürfte, gehören:
  • Anamneseerhebung 
  • körperliche Untersuchung
  • Dopplersonographie

Informationen über Dopplersonographie finden Sie hier:

Dopplersonographie




Je nach Befund können weitere Untersuchungen erforderlich sein, z.B. eine Duplexsonographie oder Phlebographie. Nur so lässt sich der Erfolg einer Sklerosierungsmaßnahme abschätzen und die sinnvollste Therapiemaßnahme auswählen.

Seien Sie vorsichtig, wenn man Ihnen eine Besenreiser-Sklerosierung anbietet, die Sie als IGeL-Maßnahme aus eigener Tasche bezahlen müssen, ohne dass vorher eine vernünftige Diagnostik durchgeführt wird!

Dienstag, 29. März 2011

Verödungsbehandlung der Varikosis: Indikationen und Kontraindikationen

Die Sklerotherapie hat folgende Ziele:
  • Behandlung der Varikosis und Vorbeugung evtl. Komplikationen
  • Linderung und ggf. Beseitigung bestehender Symptome
  • Verbesserung des gestörten venösen Blutflusses
  • ein funktionell und ästhetisch ansprechendes Ergebnis

Indikationen 

Grundsätzlich können alle Formen der Varikosis sklerosiert werden:
  • Stammvarizen (Vena saphena magna und parva) 
  • Astvarizen 
  • Retikuläre Varizen 
  • Besenreiser 
  • Perforansvenen 
  • Venen in der Umgebung eines Ulcus cruris venosum 
  • Rest- oder Rezidivvarizen z.B. nach vorangegangener Operation
Die Sklerotherapie ist für die Behandlung von kleinen Varizen (Besenreiser und retikuläre Varizen) die Methode der ersten Wahl. Bei größeren Varizen (Astvarizen, insuffiziente Perforansvenen) konkurrieren Sklerotherapie und operative Verfahren (Mini-Phlebektomie bzw. Unterbindung der Perforansvenen) miteinander. Auch wenn die Behandlung der Stammvarikosis durch eine Sklerotherapie erfolgen kann (insbesondere mittels der Schaumsklerosierung) so stellt die operative Ausschaltung immer noch die Methode der Wahl dar.

Die Kontraindikationen der Sklerosierung (ohne Gewähr!)
Keinesfalls sollte sklerosiert werden bei: 
  • bekannter Allergie auf das Sklerosierungsmittel 
  • schwerer Allgemeinerkrankung 
  • akuter Beinvenenthrombose (oberflächlich und tief) 
  • Infektionserkrankungen (generalisiert oder lokal im Bereich der Sklerosierung gelegen) 
  • längerer Immobilität/Bettlägerigkeit 
  • fortgeschrittener arterieller Durchblutungsstörungen Stadium III oder IV („Raucherbeine“) 
  • bei jodhaltigen Sklerosierungsmittel (in Deutschland nicht zugelassen): Überfunktion der Schilddrüse 
  • Schwangerschaft
  
Vorsichtig sollte man sein bei:
  • Komplikationen des Diabetes mellitus, z.B. Sensibilitätsstörungen in den Beinen 
  • Fieber 
  • schlechtem Allgemeinzustand 
  • Asthma 
  • Allergieneigung 
  • Beinödeme 
  • arterielle Durchblutungsstörungen Stadium II 
  • bekannte überschiessende Gerinnungsneigung („Hyperkoagulabilität“) 
  • Thromboseneigung bzw. abgelaufene Thrombose


Hinzu kommen noch evtl. spezifische Kontraindikationen für das verwendete Sklerosierungsmittel! 

Was viele Patienten nicht wissen: es geht bei der Behandlungswahl nicht um „entweder-oder“, also entweder Operation oder Sklerosierung. Vielmehr ergänzen sich beide Verfahren sehr gut. Gerade bei Patienten mit einer Stammveneninsuffizienz ist die sinnvolle Kombination von Operation und Sklerotherapie das beste Verfahren zur Behandlung der Varizenerkrankung.

Samstag, 26. März 2011

Verödungsbehandlung der Varikosis: Definition

Unter der Verödungsbehandlung, auch Sklerosierung oder Sklerotherapie genannt, versteht man die gezielte Ausschaltung von Varizen durch das Einspritzen von Sklerosierungsmitteln,  die zu einer Schädigung der Innenauskleidung der Venen oder auch der gesamten Gefäßwand führen. Dadurch kommt es zu einer Umwandlung der Varizen in einen bindegewebigen Strang, der eigentlichen Sklerosereaktion.


Bereits im klassischen Altertum versuchte beispielsweise Galen (ca. 130 – 200 n. Chr.) Varizen mit Ätzpasten beizukommen, welche auf die Haut aufgetragen wurden. Eine Injektionsbehandlung war natürlich erst sehr viel später möglich, nachdem brauchbare Glasspritzen eingeführt worden waren und entsprechende Injektionslösungen zur Verfügung standen. Im 19. Jahrhundert wurden mehrere chemische Substanzen mehr oder weniger erfolglos zum Veröden ausprobiert: reiner Alkohol, Eisenchlorid-Lösung und auch jodhaltige Präparate.

Wie viele Therapieverfahren in der Medizin ist auch die moderne Sklerotherapie einer zufälligen Beobachtung zu verdanken. Während des 1. Weltkrieges waren Syphiliserkrankungen recht häufig und wurden mit Salvarsan®-Injektionen behandelt. Salvarsan® kam 1910 auf den Markt und bewahrte viele an Syphilis-Erkrankte vor sehr viel Leid und auch dem sicheren Tod. Salvarsan® war allerdings nicht „ganz ohne“ wie die Bedeutung des Namens schon erahnen lässt: salvare bedeutet retten oder heilen, sanus heißt gesund oder heil und der Rest des Namens stammt von „Arsen“. Das „heilende Arsen“ ging bei Luftkontakt sehr rasch in giftige Verbindungen über und wurde in luftdicht verschlossenen Glasampullen auf den Markt gebracht. Auch wenn bei vielen Syphilisinfizierten bereits eine einzelne Injektion die erhoffte Heilung brachte mussten diverse Nebenwirkungen in Kauf genommen werden. So musste das Salvarsan® beispielsweise unmittelbar vor der Injektion mit ätzender Natronlauge versetzt werden. Die Injektionen in die Armvene führten folglich sehr häufig zu Entzündung und Verschluss der Venen. Warum sollte man also Varizen nicht mit Salvarsan® veröden können? In der Tat hat es erfolgreiche Versuche dazu gegeben. Das Salvarsan® wurde um 1950 allerdings vom Markt genommen, so dass man sich nach einer anderen Substanz umschauen musste.

Um 1940 wurde in einem namhaften deutschen Chemieunternehmen nach Injektions-Anästhetika geforscht, also Betäubungsmittel, die intravenös verabreicht werden können. Man war erfolgreich, musste aber feststellen, dass bei der intravenösen Gabe in höheren Konzentrationen Reizungen der Venenwand auftraten. Die entdeckte Substanz hieß: Hydroxypolyaethoxydodecan, auch als Polidocanol bezeichnet. Die Nebenwirkung der Substanz –die Venenreizung und Verklebung– wurde später als gewünschte Hauptwirkung für die Sklerosierung von Krampfadern genutzt. Das heutzutage weltweit am häufigsten eingesetzte Verödungspräparat aus Polidocanol heißt Aethoxysklerol®, das als einziges Verödungsmittel in Deutschland zugelassen ist. In den letzten 20 Jahren dürften weltweit ca. 80 Millionen Verödungsmaßnahmen durchgeführt worden sein, übrigens nicht nur bei Varikose-Patienten, sondern auch bei Krampfadern im Bereich der Speiseröhre (Ösophagusvarizen) und Hämorrhoiden.


Wird die Sklerosierungssubstanz Polidocanol in eine Krampfader injiziert bläht sich die Innenauskleidung der Vene ballonartig auf und es werden in einem komplizierten Mechanismus Substanzen aus der Gefäßwand freigesetzt, die zu einem „Gefäßkrampf“ führen. Diese Reaktion auf das Verödungsmittel setzt in aller Regel schon zwei Stunden nach der Injektion ein. Es entsteht ein Thrombus, der fast ausschließlich aus roten Blutkörperchen (Erythrozyten) besteht. Da unmittelbar nach einer Sklerosierung ein Kompressionsverband angelegt wird, kommt es zu einer Verklebung der Venenwände. In den Thrombus einsprossendes Bindegewebe führt zur Bildung einer Narbenplatte und somit zu einem stabilen Verschluss der Vene. Die verschiedenen Stadien der Sklerosierung laufen nicht immer hintereinander weg ab, sondern es können unterschiedliche Stufen gleichzeitig vorkommen. Es können Venenabschnitte bereits Narbenplatten aufweisen, während andere Abschnitte längere Zeit nur einen „roten“ Thrombus zeigen. Ursächlich sind einerseits die Injektionstechnik, die Wahl des Verödungsmittels bzw. seine Konzentration und evtl. auch eine verkehrte Indikation. Andererseits spielen aber auch lokale, vom Arzt nicht zu beeinflussende Faktoren eine Rolle. So ist beispielsweise eine Resistenz gegen das Verödungsmittel beschrieben worden und die Vorschädigung der Vene infolge ihrer Klappeninsuffizienz kann auch eine überschießende Reaktion auf das Verödungsmittel auslösen. Im Idealfall werden aber alle von einer Narbenplatte komplett verschlossenen Krampfadern im Laufe der Zeit vom Körper abgebaut.

Das Ziel einer Sklerosierungsbehandlung ist nicht die alleinige Thrombosierung des Gefäßes, da es zu einer Rekanalisierung kommen kann, sondern der Umbau in einen bindegewebigen Narbenstrang.

Sonntag, 20. März 2011

Männersache: Krampfadern, wo man sie nicht vermutet - Varikocele testis (2)

Action!
Varikozele - was nun?

Das Problem bei der Behandlung der Varikozele insbesondere bei Fertilitätsstörungen ist, das nicht vorhersehbar ist, welcher Betroffener von einer Behandlung profitiert und welcher nicht. Der Ausprägungsgrad einer Varikozele korreliert nämlich weder mit dem Schweregrad einer evtl. Fertilitätsstörung noch mit dem Behandlungsergebnis. Daher gibt es auch keine zuverlässigen Aussagen darüber, ob bereits eine Behandlung der Varikozele Grad 0 (subklinisch per Ultraschall nachweisbare venöse Abflussstörung) behandelt werden soll oder muss oder aber die Behandlung erst bei höhergradiger Varikozelen-Bildung sinnvoll ist. 


Die Europäische Urologen-Vereinigung (EAU, Niederlande) hat folgende Empfehlungen herausgegeben (Stand 2010):

1. Die Behandlung der Varikozele ist empfehlenswert bei:
  • unerfülltem Kinderwunsch und krankhafter Veränderung der Spermien
  • schmerzhafter Varikozele
  • Varikozele bei Kindern und kleinerem/zurückgebliebenem Hoden auf der gleichen Seite
2. Keine Behandlung der Varikozele bei:
  • Varikozele und normales Spermiogramm
  • Varikozele und krankhafter Veränderung der Spermien ohne Kinderwunsch
  • Varikozele und Azospermie, d.h. völliges Fehlen von Spermien
3. Behandlung fraglich da Studien zur Belegung des Behandlungserfolges fehlen:
  • Varikozele und zusätzliche Fertilitätsstörungen
  • Varikozele bei Kindern und normaler Hodengröße (Kontrolle alle 6 Monate! In bis zu 70% der Fälle soll es zu einer spontanen Rückbildung der kindlichen Varikozele kommen!)

Behandlungsmöglichkeiten

Zur Behandlung einer Varikozele stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, operativ wie nicht-operativ. Ziel ist es, den venösen Reflux und dadurch den Blutstau im Venen-Plexus zu beseitigen.

Operative Verfahren

Zu den verschiedenen operativen Methoden gehört die hohe Unterbindung der Vena spermatica interna mit oder ohne Schonung der A. testicularis. „Hohe“ Unterbindung heißt, dass die Gefäße oberhalb der Leiste - in Höhe des Unterbauches - aufgesucht und durchtrennt werden. Ein anderer Begriff für diesen Zugangsweg ist auch „suprainguinal“. 

Eines dieser Verfahren ist  die Operation nach Palermo, die 1949 erstmals durchgeführt wurde und bei der das gesamte Gefäßbündel, also Vene und Arterie, unterbunden wird. Etwas schonender ist die Operation nach Bernardi, bei der lediglich die Vena spermatica interna unterbunden wird, die Arterie wird geschont. Unter den operativen Verfahren ist diese Operationsvariante seit Jahrzehnten das Standardverfahren: schnell, effektiv und komplikationsarm. Nachteil der beiden Verfahren ist der erforderliche „Schnitt“ im Bereich des Unterbauches. Er ist zwar nicht sehr groß, die Länge orientiert sich allerdings an der Speckschicht der Bauchdecke… Etwas eleganter ist der Durchführung des Eingriffes per „Knopflochchirurgie“, d.h. laparoskopisch über mehrere recht kleine Schnitte. Laparoskopische Eingriffe sind allerdings zeitaufwendiger und setzen auch eine spezielle Erfahrung des Operateurs voraus (laparoskopische Operationen sind nicht so einfach zu erlernen wie herkömmliche Eingriffe per „Schnitt“).

Der Vollständigkeit halber soll noch das inguinale Operationsverfahren nach Ivanessevich erwähnt werden, bei dem der Schnitt unmittelbar in Höhe der Leiste erfolgt und im Bereich des Samenstrangs sämtliche Venen unterbunden werden. Hierzu sollte ein Operationsmikroskop verwendet werden, damit die A. testicularis, die Lymphgefäße und feinen Nerven geschont werden können. Operationszeit und technischer Aufwand sind bei dieser mikrochirurgischen Variante deutlich höher.

Nicht-operative Verfahren

Nicht-operative Verfahren zur Behandlung der Varikozele werden auch als radiologisch-interventionelle oder angiographische Verfahren bezeichnet. Hierbei wird die Vene spermatica interna ähnlich wie bei der Krampfaderbehandlung der Beine verödet, d.h. sklerosiert. Es existieren zwei verschiedene Varianten:

1. retrograde Sklerosierung

Bei dieser Technik wird die Leistenvene auf der Gegenseite der Varikozele mit einer Kanüle punktiert (also bei einer linkseitigen Varikozele wird in der rechten Leiste gepikst) und über die Kanüle ein Katheter bis in die V. spermatica interna vorgeschoben bis knapp oberhalb des gestauten Venen-Netzes. Über den Katheter wird das Verödungsmittel injiziert, das zu einer Verklebung der Venenwände führt.

Über die rechte Leistenvene wird ein Katheter bis zur linksseitigen Varikozele vorgeschoben und dann das Verödungsmittel injiziert


Nachteil: während der Maßnahme muss das Vorschieben des Katheters unter Durchleuchtung mit einem Röntgengerät kontrolliert werden. Bei einem geübten Behandler ist die Strahlenbelastung im Genitalbereich zu vernachlässigen. Es kann aber auch Behandlungen geben, die aus vielerlei Gründen längere Durchleuchtungszeiten benötigen, so dass die Strahlenbelastung nicht ganz ohne ist. Eine gute Mitarbeit des Patienten ist unbedingt erforderlich, während der Aktion sind immer weder Press-Manöver erforderlich. 

Nicht alle Patienten sind für eine retrograde Sklerosierung geeignet. Bei 20% gelingt die Sklerosierung nicht, weil entweder technische Hindernisse nicht überwindbar sind oder der anatomische Gefäßverlauf Varianten aufweist, die ein Vorschieben des Katheters an die gewünschte Stelle vereiteln.

Die retrograde Sklerosierung wird übrigens von Radiologen durchgeführt, nicht von Urologen oder Chirurgen.

2. antegrade Sklerosierung (nach Tauber)

Eine Alternative zur retrograden Technik stellt die meist von Urologen durchgeführte Sklerosierung durch einen Zugang „vor Ort“ dar. Hierzu muss  ein kleiner Schnitt in Höhe des Hodensacks nahe der Peniswurzel angelegt werden, über den eine gestaute Vene der Varikozele punktiert und ein kurzer Katheter bis in die Vene spermatica vorgeschoben wird, über den dann das Verödungsmittel injiziert wird. Damit lassen sich anatomische Probleme, die das retrograde Verfahren gelegentlich vereiteln, in aller Regel umgehen.

Nachteil: der kleine Schnitt und auch hier muss mit einem Durchleuchtungsgerät gearbeitet werden.

Die folgende Tabelle vergleicht die verschiedenen Behandlungsoptionen bezüglich ihrer Erfolgsquote und einer ausgesprochen schweren Komplikation, nämlich der Hodenschrumpfung.

 
Verfahren
Hoden-schrumpfung
Erfolglos, d.h. die Varikozele bleibt bestehen
Spezielles Zentrum

Offen-chirurgisch
(Op per Schnitt)


unklar

0 - 29%

0,2%

Mikrochirurgisch


< 1%

0,8 - 10%

0,8%

Laparoskopisch


keine

3 - 7%

1,3%

Antegrade Sklero.


0,6%

5 - 9%

3% je nach Schweregrad

Retrograde Sklero.


keine

10 - 24%

2%


Alle Verfahren, operativ und nicht-operativ, werden von der Vereinigung Europäischer Urologen als  grundsätzlich gleich gut geeignet angesehen, um einer Varikozele zu behandeln. Es existieren viele Studien zu dem Thema, was eine Varikozelen-Behandlung beim Erwachsenen bringt. Hier kommt es natürlich immer darauf an, was das Ziel der Behandlung sein soll: Schmerzfreiheit? Geht der Kinderwunsch in Erfüllung?

Wird die Behandlung lediglich wegen Schmerzen durchgeführt, so können über 80% der Männer davon ausgehen, dass ihre Beschwerden nach der Behandlung abklingen.

Bei der Behandlung wegen eines unerfüllten Kinderwunsches sehen die Ergebnisse ernüchternd aus. Unabhängig vom durchgeführten Verfahren gilt die Behandlung der Varikozele statistisch gesehen ohne sicheren therapeutischen Nutzen in Hinblick auf die Schwangerschaftsrate. Die Behandlung der Varikozele führt zwar in vielen Fällen zu einer Verbesserung des Spermiogramms, erhöht jedoch nicht zwangsläufig die „Fruchtbarkeitsrate“ der betroffenen Paare. Eine grundsätzliche Indikation zur Varikozelenbehandlung in Hinblick auf einen unerfüllten Kinderwunsch besteht somit nicht, einen Versuch ist es aber sicher Wert.

Teil (1) verpasst? Hier lang...

Varikozele testis (1)


Männersache: Krampfadern, wo man sie nicht vermutet - Varikocele testis (1)

Krampfadern gibt es nicht nur an den Beinen, sondern können auch ganz woanders auftreten, nämlich im Bereich der Hoden. Das nennt man dann Varikocele testis oder kurz Varikozele.

Ursachen, Häufigkeit und hypothetische Folgen

Varikozelen entstehen durch eine Erweiterung der Venen, die Hoden und Nebenhoden umgeben. Dieses dichte Venen-Netz bezeichnet man als Plexus pampiniformis, über den das Blut aus dem Scrotum („Hodensack“) durch den Leistenkanal Richtung Herz transportiert wird. Die häufigste Ursache für einen gestörten Blutabfluss sind entweder insuffiziente Venenklappen oder aber auch das gänzliche Fehlen der Klappen. Auch sollen genetische und anatomische Ursachen eine Rolle spielen, so dass vermutlich mehrere Umstände zusammenkommen, die dann letztlich eine Varikozele auslösen.


Der venöse Blutstau im Venen-Netz kann zu einer tast- und sichtbaren Erweiterung der Venen führen und hat -zumindest in Tierversuchen- unmittelbare Konsequenzen für den Hoden:
  • Erhöhung der Hodentemperatur um 1 bis 2° Celsius und dadurch Beeinträchtigung der Spermienreifung
  • Rückfluss von Stoffwechselprodukten aus Niere und Nebenniere (Steroide, Katecholamine, Prostaglandine)
  • Mikrozirkulationsstörungen im Hoden durch die venöse Druckerhöhung und dadurch Beeinträchtigung des Hodenvolumens
  • hormonelle Störungen (erhöhtes FSH; FSH = follikelstimulierendes Hormon, wird zur Spermienreifung benötigt)
Wohlgemerkt: das sind tierexperimentelle Ergebnisse, deren Übertragung auf den Menschen rein hypothetisch ist, weshalb es hinsichtlich der Behandlungsbedürftigkeit einer Varikozele bei Erwachsenen auch keine einheitlichen Leitlinien gibt!

In der Literatur existieren unterschiedliche Angaben zur Häufigkeit von Varikozelen, nämlich zwischen 8 und 42% der männlichen Bevölkerung. In Deutschland haben Reihenuntersuchungen junger Männer, z.B. bei Musterungsuntersuchungen,  eine Häufigkeit von ca. 20% ergeben. Von diesen 20% betroffener Männer sollen etwa 15% durch die Varikozelen-Bildung eine Fertilitätsstörung entwickeln, d.h. Probleme mit der Zeugungsfähigkeit. Zum Vergleich: 3% aller Männer ohne Varikozele haben ebenfalls Fertilitätsstörungen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Fertilität ist etwas anderes als Libido und Potenz! Varikozelen führen nicht zu Libido- oder Potenzstörungen!

Klinik und Diagnostik

90% der Betroffenen haben eine linksseitige Varikozele, 3% rechtsseitig und bei 7% tritt sie beidseits auf. Die überwiegend linksseitige Lokalisation hat anatomische Gründe: das linkseitig befindliche Venen-Netz führt das Blut über die Hodenvene (Vena spermatica) in die linke Nierenvene, in die sie fast rechtwinklig einmündet, was den zügigen Blutabfluss aus der Hodenvene in die Nierenvene erschwert. Hinzu kommt, das die linke Nierenvene selbst zwischen Bauchschlagader und einer kräftigen Darmarterie zieht und von beiden Gefäßen je nach Blutdruck auch mal „zusammengequetscht“ wird, wodurch es  zu einem sich wiederholenden Blutstau bis in die Hodenvene kommen kann. Die rechte Hodenvene hat es da einfacher: sie mündet spitzwinklig in die untere Hohlvene (Vena cava inferior) und das war´s. 

Die rechte V. spermatica (a) mündet spitzwinkling in die untere Hohlvene, die linke (b) im rechten Winkel in die Nierenvene

Je nach Ausprägung des venösen Blutstaus im Plexus pampiniformis kann es zu einer Anschwellung des Scrotums auf der betroffenen Seite kommen, 2 bis 10% der Männer berichten auch von Beschwerden bzw. Schmerzen, die meist in der Leiste lokalisiert werden.  Man unterscheidet verschiedene Ausprägungen einer Varikozele:

Grad 0:
 > nur per Ultraschall nachweisbar = subklinische Varikozele
Grad I:
> im Stehen nicht sichtbar, nur bei Betätigung der Bauchpresse
Grad II:
> im Stehen nicht sichtbar, aber ohne Bauchpressen tastbar
Grad III:
> im Stehen sichtbar

Zur Diagnostik der Varikozele gehört nicht nur eine körperliche Untersuchung im Stehen und im Liegen, sondern auch eine Doppler-Duplex-Sonographie der Blutgefäße.

Was eine Doppler-Duplex-Sonographie ist, wird hier erklärt:





Unbedingt erforderlich ist auch eine Untersuchung der Nieren mit Ultraschall, denn das venöse Abflussproblem aus den Hodenvenen kann in seltenen Fällen auch durch einen Nierentumor entstehen, nämlich dann, wenn der Tumor den Blutabfluss aus der Nierenvene behindert und sich das Blut bis ins Scrotum zurückstaut. Man bezeichnet diese Variante als „symptomatische Varikozele“ weil sie ein Symptom des Nierentumors darstellt. Auch das Hodenvolumen, also die Hodengröße, kann per Ultraschall ermittelt werden (normales Volumen > 12 ml/Seite).

Zur Ermittlung der Hodenfunktion wird ein sog. Spermiogramm angefertigt, das das Ergebnis einer Ejakulat-Analyse darstellt, sowie ein Hormonstatus, bei der das Blut hinsichtlich spezieller Hormone untersucht wird (FSH, LH, Testosteron).

Hier geht´s zum 2. Teil....

 Varikocele testis (2)


Samstag, 12. März 2011

Ulcus cruris venosum (4): Im Dschungel der Wundversorgung

Eine Ulcuswunde sollte nicht mit irgendwas verbunden und gepflegt werden, vielmehr werden heutzutage bestimmte Anforderungen an einen optimalen Wundverband gestellt, insbesondere müssen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachgewiesen sein. Zahlreiche aktuelle Publikationen setzen sich recht kritisch mit der Bedeutung von Lokaltherapeutika zur Behandlung chronischer Wunden auseinander. Von den mittlerweile rund 300 verfügbaren Lokaltherapeutika haben zum Leidwesen der Industrie nur noch wenige in der Wundbehandlung einen Stellenwert. Bereits 2003 hatte es eine große Marktbereinigung gegeben, nachdem viele Hersteller trotz mehrjähriger Vorlaufzeit die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ihrer Wundpräparate nicht belegen konnten: mit einem Schlag verschwanden zwischen 3000 und 5000 Arzneimittel vom Markt!

Ein optimaler Wundverband muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
  • Aufnahme von Wundsekret, ohne die Wunde auszutrocknen 
  • Schonung der Wunde beim Verbandswechsel
  • Verbandsbestandsteile dürfen nicht an die Wunde abgegeben werden, z.B. Fusseln
  • Schutz der Wunde gegenüber äußeren Belastungen (Druck, Zug, Kälte, Wärme, übermäßige Feuchtigkeit, Austrocknung, Bakterien, Viren, Pilze)
  • der Gasaustausch der Wunde darf nicht behindert werden
  • das Verbandsmaterial darf keine Allergien auslösen, sollte zumindest „hypoallergen“ sein
  • die Wundheilung durchläuft verschiedene Phasen, denen sich das Verbandsmaterial anpassen muss
  • Reduktion von Juckreiz und Schmerz
  • der Verbandswechsel sollte einfach durchzuführen sein
  • gebrauchtes Verbandsmaterial muss entsorgt werden, es sollte daher biologisch-ökologisch verträglich sein


Wundauflagen und Verbandstoffe (Stand 02/2011)

Lokaltherapeutika sollten je nach Wundstadium und insbesondere nach der Stärke der Wundsekretion ausgewählt werden. Sie werden in drei Gruppen eingeteilt:

1. passive Wundauflagen: Schutz- und Abdeckfunktion + Aufsaugen des Wundsekrets
  • Wundgazen
  • Mullkompressen
  • Saugverbände
  • Vliesstoffe
2. interaktive Wundauflagen: Förderung der Wundheilung durch feuchtes Milieu
  • Alginate
  • Hydrofaser
  • Hydrogele
  • Polyurethan-Schaumstoffe
  • Hydrokolloide
  • Aktivkohle-Verbände
  • silberhaltige Auflagen
  • Laminate
  • Präparate zur enzymatischen Wundreinigung
3. aktive Wundauflagen: feuchte Wundauflage + aktive, wundheilungsfördernde Substanzen
  • Kollagenauflagen
  • Hyaluronsäure
  • Wachstumsfaktoren
  • autologe Keratinocyten-Transplantate

1. Passive Wundauflagen
Wundgazen bestehen aus Zellulose oder Kunstfasern, die mit Fettsalben oder Öl-in-Wasser-Emulsionen getränkt sind und daher nicht mit der Wunde verkleben. Sie lassen Wundsekret frei abfließen und eignen sich nur für oberflächliche Wunden. Die Gazen können auch mit Fusidinsäure und Silber präpariert sein, daneben gibt es noch silikonbeschichtete und hydrokolloidartige.

Bsp. Oleo-Tüll ®, Lomatüll ®, Adaptic ®, Atrauman ®, Fucidine ® (mit Fusidinsäure), Mepitel ® (silikonbschichtet), Urgotül ® (hydrokolloidhaltig)

Mullkompressen werden aus Baumwolle hergestellt und weisen eine hohe Saugfähigkeit auf, weshalb sie zur Versorgung von stark sezernierender Wunde geeignet sind. Ihr Nachteil ist, dass sie mit der Wunde leicht verkleben können und daher für die Granulations- und Epithelisierungsphase einer Wunde nicht geeignet sind.

Saugverbände aus Zellulose eignen sich zur Versorgung mäßig sezernierender Wunden. Für stark sezernierende gibt es hochabsorbierende Verbände.

Bsp. Mesorb ®, sorbion sachet S ®


2. Interaktive Wundauflagen
Alginate werden aus Braunalgen gewonnen und verwandeln sich bei Kontakt mit dem Wundsekret in ein gelblich-bräunliches Gel, das nicht mit der Wunde verklebt. Sie eignen sich insbesondere für zerklüftete, mit Bakterien verunreinigte Wunden. Alginat-Verbände können bis zu 7 Tage auf der Wunde verbleiben. Bei stark nässenden Wunden muss allerdings ein zusätzlicher Verband darübergelegt werden, z.B. Kompressen, die das Sekret aufnehmen.

Bsp. Kaltostat ®, SeaSorb ®

Hydrofasern haben einen ähnlichen Effekt wie Alginate. Sie eignen sich für stark sezernierende Wunden und bilden bei Kontakt mit dem Wundsekret ein klares Gel, so dass die Wunde ohne Abnahme des Verbandes beurteilt werden kann. Sie können bis zu 7 Tage belassen werden. Meist ist wegen der übermäßigen Bildung von Wundsekret noch ein zusätzlicher Verband wie bei den Alginaten erforderlich.

Bsp. Aquacel®, Versiva®

Hydrogele bestehen aus natürlichen oder synthetisch hergestellten Polymeren und haben einen hohen Wasseranteil, mit dem Wunden feucht gehalten werden. Sie wirken kühlend und schmerzstillend, weichen schmierige Beläge auf und eignen sich daher gut für infizierte, mit abgestorbenem Gewebe belastete Wunden. Hydrogele gibt es in Form von Kompressen und Gelen. Kompressen können bis zu 7 Tage belassen werden, Gelverbände werden alle 2-3 Tage erneuert.

Bsp. Hydrosorb®-Gel-Verband, Geliperm®-Gelplatten, NU-GEL®, Varihesive®-Hydrogel

Hydrokolloide bestehen aus Natrium-Carboxymethylcellulose, Pektin oder Gelatine auf einem Polyurethan-Film oder -Schaumstoff. Bei Kontakt mit dem Wundsekret quellen sie stark auf, verwandeln sich in eine zähflüssige gelartige Masse und lösen abgestorbenes Gewebe auf. Durch den Polyurethan-Film wirken die Verbände „semiokklusiv“, d.h. sie schützen die Wunde vor eindringender Nässe, erlauben aber der Wunde auch „zu atmen“, indem sie Dampf entweichen lassen. Dadurch entsteht ein optimales Wundmilieu, allerdings auch für Bakterien. Hydrokolloide sind daher bei infizierten Wunden kontraindiziert wie auch bei frei liegenden Muskeln, Sehnen und Knochen. Die plattenförmigen Wundauflagen müssen faltenfrei aufgeklebt werden und sollen die Wundränder 2-3 cm überragen. Meist müssen die Platten alle 2-3 Tage, später wöchentlich gewechselt werden.

Bsp. Comfeel®, Askina®, Tegasorb®

Polyurethan-Schaumstoffe eignen sich für saubere, mäßig bis stark sezernierende Wunden da sie sehr viel Flüssigkeit aufnehmen können, weshalb die Verbände bis zu 7 Tage belassen werden können. Die Folie auf der Außenseite ist wasser- und keimdicht, lässt aber Sauerstoff durch. Offenporige Schäume werden verwendet, um den Wundgrund auf eine spätere Hauttransplantation vorzubereiten. Sie eignen sich als temporärer Hautersatz und zur Reinigung infizierter Wunden, müssen dann allerdings alle 1-2 Tage gewechselt werden.

Bsp. Mepilex®, Biatain®, PermaFoam®, Syspur-derm®, Mepore®-Film

Aktivkohle-Verbände und silberhaltige Auflagen gehören zu den antibakteriellen Wundauflagen. Sie wirken antiseptisch, bakterizid und geruchsabsorbierend. Aktivkohle ist sehr porös und kann daher größere Mengen an Wundsekret binden wie auch Proteine, Bakterien und Bakterientoxine und schließt gleichzeitig auch Geruchsstoffe ein. Der Verbandswechsel erfolgt alle 1-3 Tage. Aktivkohle-Präparate gibt es auch mit Silber durchsetzt. Silber zerstört die Zellmembran von Bakterien ohne gleichzeitig das Gewebe anzugreifen. Bei intensiver Anwendung kann das Gewebe eine gräuliche Farbe annehmen, was aber unbedenklich ist. Antibakteriell wirkende Hydrogele gibt es auch mit PVP-Jod.

Bsp. Aktivkohle-Verbände = CarboFlex®, InCare®, Carbonet®; mit Silberzusatz = Actisorb® Silver 220, Mepilex Ag®, Atrauman Ag®; mit PVP-Jod = Repithel®

Laminate sind Wundauflagen zur sog. Nasstherapie, die hochabsorbierendes Polyacrylat enthalten. Die kissenartigen Verbände müssen vor der Anwendung entweder mit einer sterilen Flüssigkeit aktiviert werden oder aber werden gebrauchsfertig geliefert. In der Wunde entwickeln sie eine Saug-Spül-Wirkung und können bis zu 24 Stunden lang eine Wunde aktiv reinigen, indem die im Kissen enthaltene Flüssigkeit kontinuierlich an die Wunde abgeben und gleichzeitig Wundsekret und Bakterien aufnehmen. Die Wundauflagen eigenen sich für infizierte und tiefe Wunddefekte, müssen allerdings alle 12 - 24 Stunden gewechselt werden.

Bsp. TenderWet 24®, TenderWet active ®, TenderWet active cavity®

Präparate zur enzymatischen Wundreinigung werden zur Säuberung von Wunden eingesetzt, die abgestorbenes Gewebe aufweisen. Die Wunden müssen feucht sein da ansonsten die Enzyme inaktiv bleiben. In Deutschland sind nur noch zwei Präparate auf dem Markt: Iruxol N® und Varidase®. Die Verbände müssen täglich, bei Varidase® sogar 2x täglich gewechselt werden. Potenzielle Nebenwirkungen sind Fieber und Schüttelfrost, Wundschmerzen und eine Kontaktsensibilisierung.

Bsp. Iruxol N®, Varidase®


3. Aktive Wundauflagen
Bioaktive Wundauflagen beeinflussen gezielt die Wundheilung und werden nur bei sehr hartnäckigen Ulcera verwendet und somit eigentlich sehr selten. Sie zählen meist zu den Arzneimitteln und nicht wie die bisher aufgeführten Präparate zu den Medizinprodukten. Ihr Nachteil ist, dass sie bestimmte Enzyme in der Wunde hemmen und sogar die Heilung behindern.

Kollagenauflagen saugen Wundsekret und schmierige Beläge auf. Das von außen zugeführte Kollagen wird enzymatisch zu Eiweißbruchstücken abgebaut, wodurch Bindegewebszellen angelockt werden, die körpereigenes Kollagen aufbauen.

Bsp. Promogran®, Suprasorb® C

Hyaluronsäure kann als Spray, Vlies, Granulat, Creme und Serum aufgetragen werden und beeinflusst alle Phasen der Wundheilung positiv. Die Wunden granulieren hierunter gut und heilen schneller ab.

Bsp. Viscontour®, Decutasta ialuset+silver®, Hyalogran®

Nano-Oligosaccharid-Faktor gibt es seit einigen Jahren als Schaumstoffauflage. Der Faktor beeinflusst Wachstumsfaktoren positiv und inaktiviert wachstumshemmende Enzyme. 

Bsp. UrgoCell® Start

Wachstumsfaktoren spielen bei der Wundheilung eine große Rolle, da sie das Einwachsen von neuen Gewebszellen positiv beeinflussen.  Das einzige in Deutschland auf dem Markt befindliche Präparat hat eine sehr eingeschränkte Zulassung, nämlich nur bei Diabetes-bedingten Ulcera bis zu einer Größe von 5 cm2 mit einer erlaubten Anwendungsdauer von max. 20 Wochen. Bei Tumor-Patienten ist es kontraindiziert, da es in Studien die Sterberate durch die Tumorerkrankung erhöht! Der Einsatz dieses Präparates muss also sehr gut überlegt werden.

Bsp. Regranex®

Autologe Keratinocyten-Transplantate werden zur Abdeckung von Wunden benutzt. Aus den Haarwurzelscheiden des Patienten werden Keratocyten entnommen und weitergezüchtet, so dass nach 2-3 Wochen mehrlagige Wundauflagen entstanden sind. Die ca. 1 cm2 großen Hautläppchen können dann auf die Wunde gelegt werden.

Was bei diesen ganzen High-Tech-Dingen gerne vergessen wird: alle Ulcus-Patienten müssen einen ausreichenden Tetanusschutz haben!

Wer sich intensiver mit der Versorgung chronischer Wunden beschäftigen möchte, dem sei folgender Link empfohlen (pdf-Datei):



Sonntag, 6. März 2011

Ulcus cruris venosum (3): Allgemeines zur Wundbehandlung

Normalerweise ist die Wundheilung ein körpereigener Vorgang, der ärztlicherseits und durch pflegerische Maßnahmen nur insofern unterstützt werden kann als das innere und äußere Einflüsse, die hemmend wirken, beseitigt werden.

Ein Ulcus ist keine Diagnose, sondern Symptom einer Erkrankung!

An erster Stelle steht die Behandlung der Erkrankungen, die ein Ulcus ausgelöst haben. Gerade bei chronischen Wunden wird häufig auf eine umfassende und korrekte Diagnose verzichtet, oft pilgern die frustrierten Patienten von einem Arzt zum anderen, denn irgendjemand muss die Wunde doch endlich mal zur Abheilung bringen können. 

Die häufigste Ursache eines Ulcus cruris ist mit über 50% die chronisch venöse Insuffizienz, aber eben nicht die alleinige. Bevor man sich Gedanken zur Wundbehandlung macht ist eine umfassende Diagnostik erforderlich zu der insbesondere die Gefäßuntersuchung mit Ultraschall gehören, Blutuntersuchungen, die mikrobiologische Untersuchung der Wunde (sind Bakterien vorhanden und wenn ja, welche?) und evtl. sogar die Entnahme einer kleinen Gewebsprobe. 

Ist das Ulcus tatsächlich venös bedingt, dann muss die Druck- und Volumenüberlastung im Venensystem durch eine konsequente Kompressionstherapie und/oder invasive Maßnahmen wie Operation oder Sklerosierung reduziert werden. Auch wichtig, aber erst an zweiter Stelle stehend, ist die lokale Wundbehandlung, die eine ungestörte Heilung ermöglichen soll.

Modernes Wundmanagement: phasengerechte Wundbehandlung

Die lokale Wundbehandlung erfolgt phasenadaptiert, wobei generell das Prinzip der feuchten Wundbehandlung gilt. Das eine chronische Wunde mit trockenem Verbandsmaterial versorgt wird, dürfte die Ausnahme sein. 

Ist die Wunde schmierig belegt und infiziert, muss sie zunächst gereinigt und desinfiziert werden. Abgestorbenes Gewebe und fest haftende Beläge müssen entfernt werden. Das kann chirurgisch, also operativ erfolgen, mit Wasserstrahl- oder Ultraschallgeräten oder mit lokal aufgetragenen Enzymen, die die Beläge „verdauen“. Eine Option sind auch sog. Biobags, steril gezüchtete Fliegenlarven, die in teebeutelähnlichen Säckchen verpackt auf den Wundgrund gelegt werden und dort abgestorbenes Gewebe abknabbern. Sicher nicht jedermanns Sache und ob Maden die besseren Chirurgen sind sei dahingestellt…

Sobald die Wunde sauber ist, wird die Granulation gefördert. Darunter versteht man die Entstehung von neuem Gewebe, zunächst Bindegewebe, in das mikroskopisch winzige Gefäße einwachsen und aus dem schließlich  die Vorstufe des Kollagens entsteht. Die Wunde schrumpft  und gewinnt an Festigkeit. In dieser Phase eignen sich beispielweise Polyurethan-Schäume und Hydrokolloid-Materialien.

Die letzte Phase bezeichnet man als Epithelisierung. Die Wunde zieht sich zusammen, das Granulationsgewebe wird zunehmend wasser- und gefäßärmer, festigt sich und bildet sich zu Narbengewebe um. Die Epithelisierung bringt dann die Wundheilung zum Abschluss: Die zur Teilung (Mitose) befähigten Zellen der Epidermis, die sog. Keratinozyten, vermehren sich und beginnen, meist vom Wundrand her, mit der Überhäutung der Granulationsfläche. In dieser Phase kann unterstützend mit Hydrokolloiden, Polyurethan-Schaum oder Kollagenen gearbeitet werden. Bei sehr großflächigen Wunden kann diese Phase ewig dauern. Deutlich abgekürzt werden kann sie durch Hauttransplantationen. Bei sehr tiefen Defekten mit freilegenden Sehnen oder Knochen wird man um eine Verpflanzung von Haut oder sogar Muskellappen zur Defektfüllung nicht herumkommen, da Sehnen und Knochen kein guter Wundgrund für die Eigenheilung sind und Infektionen fatale Folgen haben können. Hydrokolloid- und Schaumverbände sind bei freiliegenden Sehnen und Knochen übrigens kontraindiziert.

Hautschutz in der Wundumgebung

Ulcera geben in der Regel viel Feuchtigkeit ab, die die Haut in der Wundumgebung angreifen kann. Meist kann das Sekret durch saugfähige Wundauflagen, die evtl. in kurzen Intervallen gewechselt werden müssen, abgefangen werden, bevor es die Haut in nennenswertem Umfang erreicht. Sollte das nicht klappen, muss die Haut durch spezielle Präparate geschützt werden, z.B. mit Cavilon ® oder Comfeel ® Schutzcreme. Die früher häufig aufgetragene Zinkpaste ist mittlerweile umstritten, da zu ihrer Schutzwirkung keine Studien existieren.

Wundspülung und Desinfektion

Biofilme bestehen aus einer dünnen Schleimschicht, in der Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze eingebettet sind und entstehen immer dann, wenn Mikroorganismen sich an Grenzflächen ansiedeln. Sie bilden sich überwiegend in wässrigen Systemen, entweder auf der Wasseroberfläche, auf einer Grenzfläche zu einer festen Phase oder aber auch auf einer chronischen Wunde. Die hier befindlichen Krankheitserreger fühlen sich in ihrem Biofilm richtig wohl, werden vom körpereigenen Immunsystem kaum erreicht und können so schwere Infektionen auslösen. 

Staphylococcus aureus-Bioflim

Biofilme müssen somit zerstört und am besten noch entfernt werden. Das kann mechanisch erfolgen mit einer sterilen Kompresse, was in den meisten Fällen möglich ist und völlig ausreicht, oder aber durch Reinigung des Ulcus mit Spüllösungen. Zur Wundspülung kann physiologische Kochsalz-Lösung (0,9% NaCl) verwendet werden; soll gleichzeitig auch noch desinfiziert werden ist Polihexanid Mittel der ersten Wahl (Lavasept ®, Serasept ®). Es hat eine gute Gewebeverträglichkeit, soll granulationsfördernd wirken und ist auch zur Langzeitanwendung geeignet. Vorsicht bei der Anwendung in Gelenknähe: es greift den Knorpel an! 

Völlig „out“ sind Präparate auf Farbstoffbasis, organische Quecksilberverbindungen (Mercurochrom ®, in Deutschland seit 2003 vom Markt) sowie das früher häufig verwendete Rivanol ®, das zwar noch auf dem Markt ist, aber wie alle anderen Präparate zelltoxisch wirkt und die Wundheilung nicht unbedingt fördert. Auch sagt man ihm eine mutagene, erbgutverändernde Wirkung nach.

Wunde ausduschen: die heilende Kraft des Wassers?

Zur Reinigung eines Ulcus wird häufig auch das Ausduschen mit Leitungswasser empfohlen. Diese Empfehlung teilt Ärzteschaft und Pflegekräfte in zwei Lager, dazwischen befindet sich ein tiefer Graben, über den hinweg sich vehement bekämpft wird.

Was spricht für das Ausduschen?
Leitungswasser stellt eigentlich eine sehr gute Lösung zur Ulcusspülung dar. Der vorhandene Spüldruck beseitigt den Biofilm, es kann auf eine angenehme Temperatur eingestellt werden und ist unbegrenzt verfügbar. Es bestehen keine Haltbarkeitsprobleme wie bei der Kochsalzlösung, die nach Anbruch der Flasche höchstens 24 Stunden lang verwendet werden darf. Und: der Patient darf unter die Dusche, ein nicht unwichtiger Aspekt der Lebensqualität! Stellen Sie sich einmal vor, die Behandlung Ihres Ulcus braucht etliche Monate und Sie dürfen nicht unter die Dusche (vom Baden ganz zu schweigen)! Zur Reinigung großer, tiefer Wunden werden oft große Mengen an Spülflüssigkeit benötigt, so dass auch der ökonomische Aspekt für das Ausduschen spricht, denn sowohl Behandler als auch Patient können sich den Sparzwängen im Gesundheitswesen nicht entziehen.

Und was spricht dagegen?
Es ist kein Geheimnis, das Trinkwasser in Krankenhäusern die Quelle für schwere Infektionen darstellen kann, denn Wundinfektionen können durch keimbesiedelte Wasserhähne in Umlauf gebracht werden, was gelegentlich auf Intensivstationen der Fall ist. Das sollte uns zunächst egal sein, da wir uns selten auf Intensivstationen aufhalten und das Ausduschen von Ulcera dort wohl kaum stattfinden wird. Aber auch unser häusliches Leistungswasser ist nicht frei von Mikroorganismen, denn  durch die „Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ - kurz Trinkwasserverordnung -  ist lediglich geregelt, dass Krankheitserreger im Trinkwasser nicht in gesundheitsschädlichen Konzentrationen enthalten sein dürfen. Der erlaubte Grenzwert von 100 Keimen/ml Wasser wird von Menschen mit intaktem Immunsystem in der Regel problemlos toleriert. Zur Wundspülung verwendetes Leitungswasser muss aber keimfrei sein, denn zur Wundversorgung angewendet unterliegt es den gleichen Anforderungen wie die pharmazeutisch hergestellten Medizinprodukte. In erster Linie ist das Ausduschen von chronischen Wunden mit Leitungswasser also ein juristisches Problem: es ist illegal!

Der Dortmunder Rechtanwalt W. Sträter formuliert in einem Rechtsgutachten wie folgt: „Aus juristischer Sicht kann gegenwärtig, vor dem Hintergrund der bekannten Keimbelastung von Trinkwasser, von der Verwendung von Leitungswasser/Trinkwasser ohne Durchführung von keimreduzierenden Maßnahmen, z.B. Einsatz nach dem MPG zugelassener Duschfilter, zur Spülung chronischer Wunden nur abgeraten werden. Es muss sogar darüber hinaus befürchtet werden, dass der entgegen dieser Erkenntnisse trotzdem erfolgte Einsatz von nicht-entkeimtem Trinkwasser zivilrechtlich zu einer verschärften Haftung und strafrechtlich zum  Schuldvorwurf des bedingten Vorsatzes führt. Die durch verkeimtes Wasser in der Wunde ggf. entstehenden Zusatzkosten für den Kostenträger (z.B. durch die verzögerte Wundheilung/ verlängerte Behandlung) können dem Verursacher berechnet werden.“ (Quelle: Wolfgang Sträter, Reinoldistraße 17-19, 44135 Dortmund, Rechtsanwalt „Spülung chronischer Wunden mit Leitungswasser– ein Risiko?“ 03.2009).

Fast alle Experten sind sich über den Sinn und die Vorteile des Ausduschens einig. Große Unterschiede gibt es bezüglich der Einschätzung des Infektionsrisikos dieser Maßnahme hinsichtlich einer Wundkontamination mit Keimen und anschließender Wundinfektion.

Es existieren nur wenige Studien zu dem Thema, ob Leitungswasser zur Wundreinigung eine sichere Alternative zu steriler Kochsalzlösung darstellt. Eine recht solide Studie aus 2004 kam zu dem Schluss, dass die Verwendung von Leitungswasser das Risiko für Wundinfektionen nicht erhöht und auch die Wundheilung nicht beeinträchtigt.





Wie bekommt man Leitungswasser zum Ausduschen steril?

Eine wirksame, zuverlässige und vor allem auch rechtssichere Möglichkeit der Infektvermeidung ist die Ausstattung des Duschkopfes mit Sterilfiltern, die z.B. über das Internet zu beziehen sind. Bei der Auswahl ist darauf zu achten, dass das Modell in die Duschhalterungen des Patienten passt und einen guten Spüldruck erreicht (die Ulcuswunde soll nicht nur mit Wasser berieselt werden). Auch sollte man unbedingt die Herstellerangaben zum Filterwechsel beachten, meist muss dieser alle 4 Wochen erfolgen.

Die Krankenkassen beteiligen sich übrigens nicht an den Kosten der nicht ganz billigen Sterilfiltern, diese müssen von den Patienten selbst getragen werden. Verständlich ist die Haltung der Krankenkassen nicht, denn die Behandlungskosten würden sich durch die Einsparung an steriler Spülflüssigkeit erheblich reduzieren.  Ein Antrag bei der Krankenkasse zur Erstattung der Kosten kann in Einzelfällen erfolgreich sein.





Eine schöne Übersicht zum Ausduschen von chronischen Wunden mit Leitungswasser und der damit verbundenen Kostenersparnis finden Sie unter dem folgenden Link (pdf-Datei). Achtung: Die Fotos von offenen Beingeschwüren und Druckgeschwüren am Gesäß sind nichts für Zartbesaitete!





Mittwoch, 2. März 2011

Ulcus cruris venosum (2): Basistherapie und operative Maßnahmen


Basistherapie: Kompressionsbehandlung und Bewegung!
Auslöser des Ulcus cruris venosum ist die übermäßige Druck- und Volumenbelastung der Beinvenen. Das Ziel der Behandlung ist somit die Reduzierung der Überlastung durch eine konsequente Kompressionsbehandlung, am besten noch in Kombination mit viel Bewegung, die die Muskel- und Gelenkpumpen im Bein aktivieren soll. Kompression und Bewegung beschleunigen nachweislich das Abheilen und verhindern das erneute Auftreten eines Ulcus.


Operative Maßnahmen
Es existieren vier therapeutische Ansätze, wenn ein Ulcus cruris venosum therapieresistent ist, d.h. unter der Kompressionsbehandlung innerhalb 12 Monaten nicht abheilt:
1. Sofern nicht schon geschehen operative Ausschaltung der primären Varizen und insbesondere insuffizienter Perforansvenen (das sind die Verbindungsvenen zwischen den tiefe und oberflächlichen Venen) um die venöse Funktion zu verbessern. Nicht alle, aber viele Ulcera heilen danach bereits ab!
2. Rekonstruktion und Transplantation von Venenklappen im tiefen Venensystem sofern die Ursache des Ulcus cruris eine tiefe Beinvenenthrombose ist, die die Venenklappen zerstört hat. Nach geglückter Operation heilen zwischen 40 und 90% der Ulcera ab. Operative Rekonstruktionen am tiefen Venensystem werden zurzeit nur an wenigen spezialisierten Zentren durchgeführt und sind mit einer hohen Thromboserate behaftet!
3. Lokale operative Maßnahmen unmittelbar im Bereich des Ulcus, z. B. Ausschneiden von Ulcera und Hauttransplantation (sog. Shave-Therapie).
4. Operative Druckminderung in der Umgebung der Ulcera. Durch Einschneiden straffer Bindegewebshüllen im Bereich der Unterschenkelmuskeln (sog. Fasziotomie) sinkt der durch die CVI erhöhte Gewebsdruck und soll so gute Voraussetzungen zum Abheilen der Ulcera schaffen. In Einzelfällen klappt das auch ganz gut, aber es handelt sich hierbei um eine relative „große Operation“ mit längerem stationärem Aufenthalt, zu deren Effektivität keine Studien vorliegen! Die unter 3. genannten Maßnahmen sollen der Fasziotomie überlegen sein!
Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie empfiehlt bei den operativen Maßnahmen auf Grund der aktuellen Datenlage folgendes Vorgehen:
Die operative Methode der Wahl ist die Shave-Therapie. Faszieneingriffe (das sind die unter 4. aufgeführten Maßnahmen) sollten nur sehr ausgedehnten Ulcera vorbehalten bleiben, die nicht nur die Haut betreffen, sondern bis tief in die Weichteile reichen oder aber wenn die Shave-Therapie versagen sollte. Eine Beseitigung primärer Varizen sollte immer erfolgen! Eingriffe an Venenklappen der tiefen Venen sollten die Ausnahme darstellen und sind speziellen Zentren vorbehalten.