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Mittwoch, 12. Dezember 2018

Ulcus cruris venosum (1): Definition, Ursachen und Diagnostik


Das Ulcus cruris venosum, umgangssprachlich auch „offenes Bein“ genannt, ist die schwerwiegendste Komplikation der chronisch venösen Insuffizienz. Man versteht darunter eine chronische, nässende Wunde, meist über der Innenseite des Unterschenkels und der Innenknöchelregion lokalisiert, die über lange Zeit nicht spontan abheilt. Zeigt die Wunde unter optimaler phlebologischer Behandlung keine Heilungstendenz bzw. ist sie innerhalb von 12 Monaten nicht abgeheilt, spricht man von einem therapieresistenten Ulcus.

Laut der Bonner Venenstudie 2003 leiden rund 80.000 Deutsche zwischen dem 18. und 79. Lebensjahr unter einem Ulcus cruris. Die Häufigkeit ist stark altersabhängig: zwischen dem 30. und 39. Lebensjahr liegt sie bei 0,2%, ab dem 80. Lebensjahr je nach Studie bei über 3%. Frauen sind doppelt so häufig davon betroffen wie Männer.

Die Haut stirbt ab
Ursache des Ulcus cruris venosum ist die chronisch venöse Insuffizienz. Ursächlich ist ein Versagen der Venenklappen: entweder primär wie bei der Krampfader-Erkrankung oder aber sekundär durch Verstopfen der tiefen Beinvenen durch eine Thrombose. In beiden Fällen kommt es zu einem Zurückfließen des Blutes in den Beinvenen Richtung Fuß, was zu einer vermehrten Druck- und Volumenbelastung der Venen führt. Es entstehen Ödeme, die zu den typischen Beschwerden der CVI führt: müde, schwere Beine, Kribbeln, krampfartige Beschwerden. 
Nimmt die Ödembildung überhand und wird nicht rechtzeitig eingegriffen kommt es durch komplizierte biochemische Veränderungen zu Störungen der Hautkapillaren, d.h. zu Durchblutungsstörungen der Haut, deren Sauerstoffversorgung zusammenbricht und zu einem Untergang von Hautzellen führt. Der Zelluntergang führt zum Absterben der Haut, es entsteht eine chronische Wunde mit stark beeinträchtigter Spontanheilungstendenz. Das Ulcus kann spontan entstehen oder aber durch Bagatellverletzungen. Ein kleiner Kratzer genügt…
Die Diagnostik beim Ulcus cruris entspricht der phlebologischen Diagnostik:

Phlebologische Diagnostik



Die phlebologische Diagnostik soll auch klären, ob das Ulcus cruris tatsächlich durch eine Venenerkrankung entstanden ist, denn auch andere Erkrankungen kommen als Auslöser in Frage:
  • arterielle Durchblutungsstörungen („Raucherbein“)
  • Lymphabflussstörungen
  • Vaskulitiden („Gefäßentzündungen“)
  • Zirkulationsstörungen bei Diabetes mellitus
  • Blut- und Knochenmarkserkrankungen
  • neurologische Erkrankungen
  • Infektionen (Bakterien, Viren, Pilze)
  • Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus, Gicht)
  • Hauttumoren







Dienstag, 19. Juli 2011

Die Behandlung des Ulcus cruris venosum

Die Behandlung eines Ulcus cruris setzt einen langen Atem bei allen Beteiligten voraus. Viele Ulcus-Patienten haben bereits einen jahrelangen Leidensweg aufgrund inadäquater und erfolgloser Therapieversuche hinter sich. Es ist daher nicht ganz einfach, sie zu einer oft langdauernden Behandlung zu motivieren.


Schwerste Komplikation der Krampfader-Erkrankung
Das Ulcus cruris stellt die schwerste Komplikation der Varikosis dar. Wenn immer möglich sollte eine kausale Therapie durchgeführt werden, z.B. wenn möglich das zugrunde liegende Krampfaderleiden operativ beseitigt werden durch ein Varizenstripping oder eine operative Sanierung insuffizienter Perforansvenen. Dabei kann das Abheilen eines offenen Beines durch eine konsequente Kompressionsbehandlung beschleunigt und die Gefahr des Wiederauftretens des Ulcus deutlich reduziert werden. Bei sehr großen, tiefen Ulzerationen an den Beinen können spezielle Operationsverfahren erforderlich werden wie beispielsweise das Ausschneiden des Ulcus und die Versorgung des Hautdefektes durch eine Hautverpflanzung. Auch sind Transplantationen von Venenklappen schon durchgeführt worden, die allerdings mit einer hohen Thromboserate einhergehen und aktuell nur an wenigen spezialisierten Kliniken durchgeführt werden. Die Industrie stellt eine Vielzahl von Wundauflagen für Ulcera zu Verfügung, beispielsweise aus Schaumstoff, Hydrokolloidverbände usw. Ob damit tatsächlich die Ulcus-Abheilung schneller vonstattengeht ist nicht bewiesen. Bewiesen ist dagegen, dass die Verödung von Krampfadern in der unmittelbaren Umgebung des Ulcus das Abheilen desselben beschleunigen kann. Sollten stark ausgeprägte Ödeme vorliegen, so kommt hier schon mal die apparative intermittierende Kompression in Frage.





Für immer wieder propagierte Maßnahmen wie Laserbehandlung, Magnetfeldtherapie, Ultraschall, Wärme- oder Sauerstoffbehandlung existieren keine Untersuchungen, die den Wert der jeweiligen Maßnahme nachvollziehbar belegen könnten.

Bei fast allen Ulcus cruris-Patienten ist auch nach Abheilung des Ulcus eine Dauerversorgung mit Kompressionsstrümpfen unumgänglich!

Samstag, 12. März 2011

Ulcus cruris venosum (4): Im Dschungel der Wundversorgung

Eine Ulcuswunde sollte nicht mit irgendwas verbunden und gepflegt werden, vielmehr werden heutzutage bestimmte Anforderungen an einen optimalen Wundverband gestellt, insbesondere müssen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachgewiesen sein. Zahlreiche aktuelle Publikationen setzen sich recht kritisch mit der Bedeutung von Lokaltherapeutika zur Behandlung chronischer Wunden auseinander. Von den mittlerweile rund 300 verfügbaren Lokaltherapeutika haben zum Leidwesen der Industrie nur noch wenige in der Wundbehandlung einen Stellenwert. Bereits 2003 hatte es eine große Marktbereinigung gegeben, nachdem viele Hersteller trotz mehrjähriger Vorlaufzeit die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ihrer Wundpräparate nicht belegen konnten: mit einem Schlag verschwanden zwischen 3000 und 5000 Arzneimittel vom Markt!

Ein optimaler Wundverband muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
  • Aufnahme von Wundsekret, ohne die Wunde auszutrocknen 
  • Schonung der Wunde beim Verbandswechsel
  • Verbandsbestandsteile dürfen nicht an die Wunde abgegeben werden, z.B. Fusseln
  • Schutz der Wunde gegenüber äußeren Belastungen (Druck, Zug, Kälte, Wärme, übermäßige Feuchtigkeit, Austrocknung, Bakterien, Viren, Pilze)
  • der Gasaustausch der Wunde darf nicht behindert werden
  • das Verbandsmaterial darf keine Allergien auslösen, sollte zumindest „hypoallergen“ sein
  • die Wundheilung durchläuft verschiedene Phasen, denen sich das Verbandsmaterial anpassen muss
  • Reduktion von Juckreiz und Schmerz
  • der Verbandswechsel sollte einfach durchzuführen sein
  • gebrauchtes Verbandsmaterial muss entsorgt werden, es sollte daher biologisch-ökologisch verträglich sein


Wundauflagen und Verbandstoffe (Stand 02/2011)

Lokaltherapeutika sollten je nach Wundstadium und insbesondere nach der Stärke der Wundsekretion ausgewählt werden. Sie werden in drei Gruppen eingeteilt:

1. passive Wundauflagen: Schutz- und Abdeckfunktion + Aufsaugen des Wundsekrets
  • Wundgazen
  • Mullkompressen
  • Saugverbände
  • Vliesstoffe
2. interaktive Wundauflagen: Förderung der Wundheilung durch feuchtes Milieu
  • Alginate
  • Hydrofaser
  • Hydrogele
  • Polyurethan-Schaumstoffe
  • Hydrokolloide
  • Aktivkohle-Verbände
  • silberhaltige Auflagen
  • Laminate
  • Präparate zur enzymatischen Wundreinigung
3. aktive Wundauflagen: feuchte Wundauflage + aktive, wundheilungsfördernde Substanzen
  • Kollagenauflagen
  • Hyaluronsäure
  • Wachstumsfaktoren
  • autologe Keratinocyten-Transplantate

1. Passive Wundauflagen
Wundgazen bestehen aus Zellulose oder Kunstfasern, die mit Fettsalben oder Öl-in-Wasser-Emulsionen getränkt sind und daher nicht mit der Wunde verkleben. Sie lassen Wundsekret frei abfließen und eignen sich nur für oberflächliche Wunden. Die Gazen können auch mit Fusidinsäure und Silber präpariert sein, daneben gibt es noch silikonbeschichtete und hydrokolloidartige.

Bsp. Oleo-Tüll ®, Lomatüll ®, Adaptic ®, Atrauman ®, Fucidine ® (mit Fusidinsäure), Mepitel ® (silikonbschichtet), Urgotül ® (hydrokolloidhaltig)

Mullkompressen werden aus Baumwolle hergestellt und weisen eine hohe Saugfähigkeit auf, weshalb sie zur Versorgung von stark sezernierender Wunde geeignet sind. Ihr Nachteil ist, dass sie mit der Wunde leicht verkleben können und daher für die Granulations- und Epithelisierungsphase einer Wunde nicht geeignet sind.

Saugverbände aus Zellulose eignen sich zur Versorgung mäßig sezernierender Wunden. Für stark sezernierende gibt es hochabsorbierende Verbände.

Bsp. Mesorb ®, sorbion sachet S ®


2. Interaktive Wundauflagen
Alginate werden aus Braunalgen gewonnen und verwandeln sich bei Kontakt mit dem Wundsekret in ein gelblich-bräunliches Gel, das nicht mit der Wunde verklebt. Sie eignen sich insbesondere für zerklüftete, mit Bakterien verunreinigte Wunden. Alginat-Verbände können bis zu 7 Tage auf der Wunde verbleiben. Bei stark nässenden Wunden muss allerdings ein zusätzlicher Verband darübergelegt werden, z.B. Kompressen, die das Sekret aufnehmen.

Bsp. Kaltostat ®, SeaSorb ®

Hydrofasern haben einen ähnlichen Effekt wie Alginate. Sie eignen sich für stark sezernierende Wunden und bilden bei Kontakt mit dem Wundsekret ein klares Gel, so dass die Wunde ohne Abnahme des Verbandes beurteilt werden kann. Sie können bis zu 7 Tage belassen werden. Meist ist wegen der übermäßigen Bildung von Wundsekret noch ein zusätzlicher Verband wie bei den Alginaten erforderlich.

Bsp. Aquacel®, Versiva®

Hydrogele bestehen aus natürlichen oder synthetisch hergestellten Polymeren und haben einen hohen Wasseranteil, mit dem Wunden feucht gehalten werden. Sie wirken kühlend und schmerzstillend, weichen schmierige Beläge auf und eignen sich daher gut für infizierte, mit abgestorbenem Gewebe belastete Wunden. Hydrogele gibt es in Form von Kompressen und Gelen. Kompressen können bis zu 7 Tage belassen werden, Gelverbände werden alle 2-3 Tage erneuert.

Bsp. Hydrosorb®-Gel-Verband, Geliperm®-Gelplatten, NU-GEL®, Varihesive®-Hydrogel

Hydrokolloide bestehen aus Natrium-Carboxymethylcellulose, Pektin oder Gelatine auf einem Polyurethan-Film oder -Schaumstoff. Bei Kontakt mit dem Wundsekret quellen sie stark auf, verwandeln sich in eine zähflüssige gelartige Masse und lösen abgestorbenes Gewebe auf. Durch den Polyurethan-Film wirken die Verbände „semiokklusiv“, d.h. sie schützen die Wunde vor eindringender Nässe, erlauben aber der Wunde auch „zu atmen“, indem sie Dampf entweichen lassen. Dadurch entsteht ein optimales Wundmilieu, allerdings auch für Bakterien. Hydrokolloide sind daher bei infizierten Wunden kontraindiziert wie auch bei frei liegenden Muskeln, Sehnen und Knochen. Die plattenförmigen Wundauflagen müssen faltenfrei aufgeklebt werden und sollen die Wundränder 2-3 cm überragen. Meist müssen die Platten alle 2-3 Tage, später wöchentlich gewechselt werden.

Bsp. Comfeel®, Askina®, Tegasorb®

Polyurethan-Schaumstoffe eignen sich für saubere, mäßig bis stark sezernierende Wunden da sie sehr viel Flüssigkeit aufnehmen können, weshalb die Verbände bis zu 7 Tage belassen werden können. Die Folie auf der Außenseite ist wasser- und keimdicht, lässt aber Sauerstoff durch. Offenporige Schäume werden verwendet, um den Wundgrund auf eine spätere Hauttransplantation vorzubereiten. Sie eignen sich als temporärer Hautersatz und zur Reinigung infizierter Wunden, müssen dann allerdings alle 1-2 Tage gewechselt werden.

Bsp. Mepilex®, Biatain®, PermaFoam®, Syspur-derm®, Mepore®-Film

Aktivkohle-Verbände und silberhaltige Auflagen gehören zu den antibakteriellen Wundauflagen. Sie wirken antiseptisch, bakterizid und geruchsabsorbierend. Aktivkohle ist sehr porös und kann daher größere Mengen an Wundsekret binden wie auch Proteine, Bakterien und Bakterientoxine und schließt gleichzeitig auch Geruchsstoffe ein. Der Verbandswechsel erfolgt alle 1-3 Tage. Aktivkohle-Präparate gibt es auch mit Silber durchsetzt. Silber zerstört die Zellmembran von Bakterien ohne gleichzeitig das Gewebe anzugreifen. Bei intensiver Anwendung kann das Gewebe eine gräuliche Farbe annehmen, was aber unbedenklich ist. Antibakteriell wirkende Hydrogele gibt es auch mit PVP-Jod.

Bsp. Aktivkohle-Verbände = CarboFlex®, InCare®, Carbonet®; mit Silberzusatz = Actisorb® Silver 220, Mepilex Ag®, Atrauman Ag®; mit PVP-Jod = Repithel®

Laminate sind Wundauflagen zur sog. Nasstherapie, die hochabsorbierendes Polyacrylat enthalten. Die kissenartigen Verbände müssen vor der Anwendung entweder mit einer sterilen Flüssigkeit aktiviert werden oder aber werden gebrauchsfertig geliefert. In der Wunde entwickeln sie eine Saug-Spül-Wirkung und können bis zu 24 Stunden lang eine Wunde aktiv reinigen, indem die im Kissen enthaltene Flüssigkeit kontinuierlich an die Wunde abgeben und gleichzeitig Wundsekret und Bakterien aufnehmen. Die Wundauflagen eigenen sich für infizierte und tiefe Wunddefekte, müssen allerdings alle 12 - 24 Stunden gewechselt werden.

Bsp. TenderWet 24®, TenderWet active ®, TenderWet active cavity®

Präparate zur enzymatischen Wundreinigung werden zur Säuberung von Wunden eingesetzt, die abgestorbenes Gewebe aufweisen. Die Wunden müssen feucht sein da ansonsten die Enzyme inaktiv bleiben. In Deutschland sind nur noch zwei Präparate auf dem Markt: Iruxol N® und Varidase®. Die Verbände müssen täglich, bei Varidase® sogar 2x täglich gewechselt werden. Potenzielle Nebenwirkungen sind Fieber und Schüttelfrost, Wundschmerzen und eine Kontaktsensibilisierung.

Bsp. Iruxol N®, Varidase®


3. Aktive Wundauflagen
Bioaktive Wundauflagen beeinflussen gezielt die Wundheilung und werden nur bei sehr hartnäckigen Ulcera verwendet und somit eigentlich sehr selten. Sie zählen meist zu den Arzneimitteln und nicht wie die bisher aufgeführten Präparate zu den Medizinprodukten. Ihr Nachteil ist, dass sie bestimmte Enzyme in der Wunde hemmen und sogar die Heilung behindern.

Kollagenauflagen saugen Wundsekret und schmierige Beläge auf. Das von außen zugeführte Kollagen wird enzymatisch zu Eiweißbruchstücken abgebaut, wodurch Bindegewebszellen angelockt werden, die körpereigenes Kollagen aufbauen.

Bsp. Promogran®, Suprasorb® C

Hyaluronsäure kann als Spray, Vlies, Granulat, Creme und Serum aufgetragen werden und beeinflusst alle Phasen der Wundheilung positiv. Die Wunden granulieren hierunter gut und heilen schneller ab.

Bsp. Viscontour®, Decutasta ialuset+silver®, Hyalogran®

Nano-Oligosaccharid-Faktor gibt es seit einigen Jahren als Schaumstoffauflage. Der Faktor beeinflusst Wachstumsfaktoren positiv und inaktiviert wachstumshemmende Enzyme. 

Bsp. UrgoCell® Start

Wachstumsfaktoren spielen bei der Wundheilung eine große Rolle, da sie das Einwachsen von neuen Gewebszellen positiv beeinflussen.  Das einzige in Deutschland auf dem Markt befindliche Präparat hat eine sehr eingeschränkte Zulassung, nämlich nur bei Diabetes-bedingten Ulcera bis zu einer Größe von 5 cm2 mit einer erlaubten Anwendungsdauer von max. 20 Wochen. Bei Tumor-Patienten ist es kontraindiziert, da es in Studien die Sterberate durch die Tumorerkrankung erhöht! Der Einsatz dieses Präparates muss also sehr gut überlegt werden.

Bsp. Regranex®

Autologe Keratinocyten-Transplantate werden zur Abdeckung von Wunden benutzt. Aus den Haarwurzelscheiden des Patienten werden Keratocyten entnommen und weitergezüchtet, so dass nach 2-3 Wochen mehrlagige Wundauflagen entstanden sind. Die ca. 1 cm2 großen Hautläppchen können dann auf die Wunde gelegt werden.

Was bei diesen ganzen High-Tech-Dingen gerne vergessen wird: alle Ulcus-Patienten müssen einen ausreichenden Tetanusschutz haben!

Wer sich intensiver mit der Versorgung chronischer Wunden beschäftigen möchte, dem sei folgender Link empfohlen (pdf-Datei):



Sonntag, 6. März 2011

Ulcus cruris venosum (3): Allgemeines zur Wundbehandlung

Normalerweise ist die Wundheilung ein körpereigener Vorgang, der ärztlicherseits und durch pflegerische Maßnahmen nur insofern unterstützt werden kann als das innere und äußere Einflüsse, die hemmend wirken, beseitigt werden.

Ein Ulcus ist keine Diagnose, sondern Symptom einer Erkrankung!

An erster Stelle steht die Behandlung der Erkrankungen, die ein Ulcus ausgelöst haben. Gerade bei chronischen Wunden wird häufig auf eine umfassende und korrekte Diagnose verzichtet, oft pilgern die frustrierten Patienten von einem Arzt zum anderen, denn irgendjemand muss die Wunde doch endlich mal zur Abheilung bringen können. 

Die häufigste Ursache eines Ulcus cruris ist mit über 50% die chronisch venöse Insuffizienz, aber eben nicht die alleinige. Bevor man sich Gedanken zur Wundbehandlung macht ist eine umfassende Diagnostik erforderlich zu der insbesondere die Gefäßuntersuchung mit Ultraschall gehören, Blutuntersuchungen, die mikrobiologische Untersuchung der Wunde (sind Bakterien vorhanden und wenn ja, welche?) und evtl. sogar die Entnahme einer kleinen Gewebsprobe. 

Ist das Ulcus tatsächlich venös bedingt, dann muss die Druck- und Volumenüberlastung im Venensystem durch eine konsequente Kompressionstherapie und/oder invasive Maßnahmen wie Operation oder Sklerosierung reduziert werden. Auch wichtig, aber erst an zweiter Stelle stehend, ist die lokale Wundbehandlung, die eine ungestörte Heilung ermöglichen soll.

Modernes Wundmanagement: phasengerechte Wundbehandlung

Die lokale Wundbehandlung erfolgt phasenadaptiert, wobei generell das Prinzip der feuchten Wundbehandlung gilt. Das eine chronische Wunde mit trockenem Verbandsmaterial versorgt wird, dürfte die Ausnahme sein. 

Ist die Wunde schmierig belegt und infiziert, muss sie zunächst gereinigt und desinfiziert werden. Abgestorbenes Gewebe und fest haftende Beläge müssen entfernt werden. Das kann chirurgisch, also operativ erfolgen, mit Wasserstrahl- oder Ultraschallgeräten oder mit lokal aufgetragenen Enzymen, die die Beläge „verdauen“. Eine Option sind auch sog. Biobags, steril gezüchtete Fliegenlarven, die in teebeutelähnlichen Säckchen verpackt auf den Wundgrund gelegt werden und dort abgestorbenes Gewebe abknabbern. Sicher nicht jedermanns Sache und ob Maden die besseren Chirurgen sind sei dahingestellt…

Sobald die Wunde sauber ist, wird die Granulation gefördert. Darunter versteht man die Entstehung von neuem Gewebe, zunächst Bindegewebe, in das mikroskopisch winzige Gefäße einwachsen und aus dem schließlich  die Vorstufe des Kollagens entsteht. Die Wunde schrumpft  und gewinnt an Festigkeit. In dieser Phase eignen sich beispielweise Polyurethan-Schäume und Hydrokolloid-Materialien.

Die letzte Phase bezeichnet man als Epithelisierung. Die Wunde zieht sich zusammen, das Granulationsgewebe wird zunehmend wasser- und gefäßärmer, festigt sich und bildet sich zu Narbengewebe um. Die Epithelisierung bringt dann die Wundheilung zum Abschluss: Die zur Teilung (Mitose) befähigten Zellen der Epidermis, die sog. Keratinozyten, vermehren sich und beginnen, meist vom Wundrand her, mit der Überhäutung der Granulationsfläche. In dieser Phase kann unterstützend mit Hydrokolloiden, Polyurethan-Schaum oder Kollagenen gearbeitet werden. Bei sehr großflächigen Wunden kann diese Phase ewig dauern. Deutlich abgekürzt werden kann sie durch Hauttransplantationen. Bei sehr tiefen Defekten mit freilegenden Sehnen oder Knochen wird man um eine Verpflanzung von Haut oder sogar Muskellappen zur Defektfüllung nicht herumkommen, da Sehnen und Knochen kein guter Wundgrund für die Eigenheilung sind und Infektionen fatale Folgen haben können. Hydrokolloid- und Schaumverbände sind bei freiliegenden Sehnen und Knochen übrigens kontraindiziert.

Hautschutz in der Wundumgebung

Ulcera geben in der Regel viel Feuchtigkeit ab, die die Haut in der Wundumgebung angreifen kann. Meist kann das Sekret durch saugfähige Wundauflagen, die evtl. in kurzen Intervallen gewechselt werden müssen, abgefangen werden, bevor es die Haut in nennenswertem Umfang erreicht. Sollte das nicht klappen, muss die Haut durch spezielle Präparate geschützt werden, z.B. mit Cavilon ® oder Comfeel ® Schutzcreme. Die früher häufig aufgetragene Zinkpaste ist mittlerweile umstritten, da zu ihrer Schutzwirkung keine Studien existieren.

Wundspülung und Desinfektion

Biofilme bestehen aus einer dünnen Schleimschicht, in der Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze eingebettet sind und entstehen immer dann, wenn Mikroorganismen sich an Grenzflächen ansiedeln. Sie bilden sich überwiegend in wässrigen Systemen, entweder auf der Wasseroberfläche, auf einer Grenzfläche zu einer festen Phase oder aber auch auf einer chronischen Wunde. Die hier befindlichen Krankheitserreger fühlen sich in ihrem Biofilm richtig wohl, werden vom körpereigenen Immunsystem kaum erreicht und können so schwere Infektionen auslösen. 

Staphylococcus aureus-Bioflim

Biofilme müssen somit zerstört und am besten noch entfernt werden. Das kann mechanisch erfolgen mit einer sterilen Kompresse, was in den meisten Fällen möglich ist und völlig ausreicht, oder aber durch Reinigung des Ulcus mit Spüllösungen. Zur Wundspülung kann physiologische Kochsalz-Lösung (0,9% NaCl) verwendet werden; soll gleichzeitig auch noch desinfiziert werden ist Polihexanid Mittel der ersten Wahl (Lavasept ®, Serasept ®). Es hat eine gute Gewebeverträglichkeit, soll granulationsfördernd wirken und ist auch zur Langzeitanwendung geeignet. Vorsicht bei der Anwendung in Gelenknähe: es greift den Knorpel an! 

Völlig „out“ sind Präparate auf Farbstoffbasis, organische Quecksilberverbindungen (Mercurochrom ®, in Deutschland seit 2003 vom Markt) sowie das früher häufig verwendete Rivanol ®, das zwar noch auf dem Markt ist, aber wie alle anderen Präparate zelltoxisch wirkt und die Wundheilung nicht unbedingt fördert. Auch sagt man ihm eine mutagene, erbgutverändernde Wirkung nach.

Wunde ausduschen: die heilende Kraft des Wassers?

Zur Reinigung eines Ulcus wird häufig auch das Ausduschen mit Leitungswasser empfohlen. Diese Empfehlung teilt Ärzteschaft und Pflegekräfte in zwei Lager, dazwischen befindet sich ein tiefer Graben, über den hinweg sich vehement bekämpft wird.

Was spricht für das Ausduschen?
Leitungswasser stellt eigentlich eine sehr gute Lösung zur Ulcusspülung dar. Der vorhandene Spüldruck beseitigt den Biofilm, es kann auf eine angenehme Temperatur eingestellt werden und ist unbegrenzt verfügbar. Es bestehen keine Haltbarkeitsprobleme wie bei der Kochsalzlösung, die nach Anbruch der Flasche höchstens 24 Stunden lang verwendet werden darf. Und: der Patient darf unter die Dusche, ein nicht unwichtiger Aspekt der Lebensqualität! Stellen Sie sich einmal vor, die Behandlung Ihres Ulcus braucht etliche Monate und Sie dürfen nicht unter die Dusche (vom Baden ganz zu schweigen)! Zur Reinigung großer, tiefer Wunden werden oft große Mengen an Spülflüssigkeit benötigt, so dass auch der ökonomische Aspekt für das Ausduschen spricht, denn sowohl Behandler als auch Patient können sich den Sparzwängen im Gesundheitswesen nicht entziehen.

Und was spricht dagegen?
Es ist kein Geheimnis, das Trinkwasser in Krankenhäusern die Quelle für schwere Infektionen darstellen kann, denn Wundinfektionen können durch keimbesiedelte Wasserhähne in Umlauf gebracht werden, was gelegentlich auf Intensivstationen der Fall ist. Das sollte uns zunächst egal sein, da wir uns selten auf Intensivstationen aufhalten und das Ausduschen von Ulcera dort wohl kaum stattfinden wird. Aber auch unser häusliches Leistungswasser ist nicht frei von Mikroorganismen, denn  durch die „Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ - kurz Trinkwasserverordnung -  ist lediglich geregelt, dass Krankheitserreger im Trinkwasser nicht in gesundheitsschädlichen Konzentrationen enthalten sein dürfen. Der erlaubte Grenzwert von 100 Keimen/ml Wasser wird von Menschen mit intaktem Immunsystem in der Regel problemlos toleriert. Zur Wundspülung verwendetes Leitungswasser muss aber keimfrei sein, denn zur Wundversorgung angewendet unterliegt es den gleichen Anforderungen wie die pharmazeutisch hergestellten Medizinprodukte. In erster Linie ist das Ausduschen von chronischen Wunden mit Leitungswasser also ein juristisches Problem: es ist illegal!

Der Dortmunder Rechtanwalt W. Sträter formuliert in einem Rechtsgutachten wie folgt: „Aus juristischer Sicht kann gegenwärtig, vor dem Hintergrund der bekannten Keimbelastung von Trinkwasser, von der Verwendung von Leitungswasser/Trinkwasser ohne Durchführung von keimreduzierenden Maßnahmen, z.B. Einsatz nach dem MPG zugelassener Duschfilter, zur Spülung chronischer Wunden nur abgeraten werden. Es muss sogar darüber hinaus befürchtet werden, dass der entgegen dieser Erkenntnisse trotzdem erfolgte Einsatz von nicht-entkeimtem Trinkwasser zivilrechtlich zu einer verschärften Haftung und strafrechtlich zum  Schuldvorwurf des bedingten Vorsatzes führt. Die durch verkeimtes Wasser in der Wunde ggf. entstehenden Zusatzkosten für den Kostenträger (z.B. durch die verzögerte Wundheilung/ verlängerte Behandlung) können dem Verursacher berechnet werden.“ (Quelle: Wolfgang Sträter, Reinoldistraße 17-19, 44135 Dortmund, Rechtsanwalt „Spülung chronischer Wunden mit Leitungswasser– ein Risiko?“ 03.2009).

Fast alle Experten sind sich über den Sinn und die Vorteile des Ausduschens einig. Große Unterschiede gibt es bezüglich der Einschätzung des Infektionsrisikos dieser Maßnahme hinsichtlich einer Wundkontamination mit Keimen und anschließender Wundinfektion.

Es existieren nur wenige Studien zu dem Thema, ob Leitungswasser zur Wundreinigung eine sichere Alternative zu steriler Kochsalzlösung darstellt. Eine recht solide Studie aus 2004 kam zu dem Schluss, dass die Verwendung von Leitungswasser das Risiko für Wundinfektionen nicht erhöht und auch die Wundheilung nicht beeinträchtigt.





Wie bekommt man Leitungswasser zum Ausduschen steril?

Eine wirksame, zuverlässige und vor allem auch rechtssichere Möglichkeit der Infektvermeidung ist die Ausstattung des Duschkopfes mit Sterilfiltern, die z.B. über das Internet zu beziehen sind. Bei der Auswahl ist darauf zu achten, dass das Modell in die Duschhalterungen des Patienten passt und einen guten Spüldruck erreicht (die Ulcuswunde soll nicht nur mit Wasser berieselt werden). Auch sollte man unbedingt die Herstellerangaben zum Filterwechsel beachten, meist muss dieser alle 4 Wochen erfolgen.

Die Krankenkassen beteiligen sich übrigens nicht an den Kosten der nicht ganz billigen Sterilfiltern, diese müssen von den Patienten selbst getragen werden. Verständlich ist die Haltung der Krankenkassen nicht, denn die Behandlungskosten würden sich durch die Einsparung an steriler Spülflüssigkeit erheblich reduzieren.  Ein Antrag bei der Krankenkasse zur Erstattung der Kosten kann in Einzelfällen erfolgreich sein.





Eine schöne Übersicht zum Ausduschen von chronischen Wunden mit Leitungswasser und der damit verbundenen Kostenersparnis finden Sie unter dem folgenden Link (pdf-Datei). Achtung: Die Fotos von offenen Beingeschwüren und Druckgeschwüren am Gesäß sind nichts für Zartbesaitete!





Mittwoch, 2. März 2011

Ulcus cruris venosum (2): Basistherapie und operative Maßnahmen


Basistherapie: Kompressionsbehandlung und Bewegung!
Auslöser des Ulcus cruris venosum ist die übermäßige Druck- und Volumenbelastung der Beinvenen. Das Ziel der Behandlung ist somit die Reduzierung der Überlastung durch eine konsequente Kompressionsbehandlung, am besten noch in Kombination mit viel Bewegung, die die Muskel- und Gelenkpumpen im Bein aktivieren soll. Kompression und Bewegung beschleunigen nachweislich das Abheilen und verhindern das erneute Auftreten eines Ulcus.


Operative Maßnahmen
Es existieren vier therapeutische Ansätze, wenn ein Ulcus cruris venosum therapieresistent ist, d.h. unter der Kompressionsbehandlung innerhalb 12 Monaten nicht abheilt:
1. Sofern nicht schon geschehen operative Ausschaltung der primären Varizen und insbesondere insuffizienter Perforansvenen (das sind die Verbindungsvenen zwischen den tiefe und oberflächlichen Venen) um die venöse Funktion zu verbessern. Nicht alle, aber viele Ulcera heilen danach bereits ab!
2. Rekonstruktion und Transplantation von Venenklappen im tiefen Venensystem sofern die Ursache des Ulcus cruris eine tiefe Beinvenenthrombose ist, die die Venenklappen zerstört hat. Nach geglückter Operation heilen zwischen 40 und 90% der Ulcera ab. Operative Rekonstruktionen am tiefen Venensystem werden zurzeit nur an wenigen spezialisierten Zentren durchgeführt und sind mit einer hohen Thromboserate behaftet!
3. Lokale operative Maßnahmen unmittelbar im Bereich des Ulcus, z. B. Ausschneiden von Ulcera und Hauttransplantation (sog. Shave-Therapie).
4. Operative Druckminderung in der Umgebung der Ulcera. Durch Einschneiden straffer Bindegewebshüllen im Bereich der Unterschenkelmuskeln (sog. Fasziotomie) sinkt der durch die CVI erhöhte Gewebsdruck und soll so gute Voraussetzungen zum Abheilen der Ulcera schaffen. In Einzelfällen klappt das auch ganz gut, aber es handelt sich hierbei um eine relative „große Operation“ mit längerem stationärem Aufenthalt, zu deren Effektivität keine Studien vorliegen! Die unter 3. genannten Maßnahmen sollen der Fasziotomie überlegen sein!
Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie empfiehlt bei den operativen Maßnahmen auf Grund der aktuellen Datenlage folgendes Vorgehen:
Die operative Methode der Wahl ist die Shave-Therapie. Faszieneingriffe (das sind die unter 4. aufgeführten Maßnahmen) sollten nur sehr ausgedehnten Ulcera vorbehalten bleiben, die nicht nur die Haut betreffen, sondern bis tief in die Weichteile reichen oder aber wenn die Shave-Therapie versagen sollte. Eine Beseitigung primärer Varizen sollte immer erfolgen! Eingriffe an Venenklappen der tiefen Venen sollten die Ausnahme darstellen und sind speziellen Zentren vorbehalten.

Dienstag, 21. September 2010

Die chronisch venöse Insuffizienz: Therapie


Bei der CVI ist das Therapieziel die Beseitigung der Blutstauung in den Beinvenen. Auch wenn die Therapiemaßnahmen sich an Ausdehnung und Schweregrad der CVI orientieren: 


Basis einer jeden Behandlung ist die Kompressionstherapie!



Die Kompressionshandlung hat folgende Auswirkungen:
  • Minderung des krankhaft gesteigerten venösen Blutvolumens im Bein
  • Verbesserung der Gelenk-Waden-Muskelpumpe
  • Beschleunigung der Lymphdrainage des Ödems
  • Verbesserung der Mikrozirkulation der Haut


Bei ausgeprägten Formen des CVI sind meist Kompressionsverbände erforderlich, deren korrektes Anlegen eine Kunst für sich ist. Meist müssen sie zu Beginn der Behandlung täglich erneuert werden, da meist innerhalb des Tages die Ödeme schnell rückläufig sind, wodurch der Kompressionsdruck nachlässt. Dann kann auf Dauerverbände übergegangen werden, z.B. Zinkleim- oder Klebeverbände, die erst nach einigen Tagen gewechselt werden müssen. Sind die Ödeme ausgetrieben worden, kann zur Dauerbehandlung (!) auf Kompressionsstrümpfe übergegangen werden. Zu Beginn der Behandlung muss  die Kompressionsbehandlung gelegentlich modifiziert werden, nämlich dann, wenn ein Ulcus cruris vorliegt.

Katastrophe!


Bei den Kompressionsstrümpfen werden 4 verschiedene Kompressionsstärken unterschieden, wobei die CVI mindestens der Klasse II bedarf, gelegentlich sogar Klasse III.  Spätestens nach einem halben Jahr müssen neue Strümpfe her da sie dann an Elastizität verloren haben und der Kompressionsdruck nachlässt.

Die medikamentöse Behandlung der CVI mit Venentonika oder Diuretika (wasserausschwemmenden Medikamenten) ist allenfalls zu Beginn der Kompressionsbehandlung kurzfristig sinnvoll. Für eine Dauerbehandlung sind die Präparate sicher nicht geeignet.

Die Sklerosierung (Verödung) von leichten bis mäßigen Krampfadern ist sicher sinnvoll, denn richtig durchgeführt bringt sie nicht nur eine schnelle kosmetische Verbesserung, sondern normalisiert auch den krankhaft veränderten Blutstrom in den Beinvenen. Ihr Problem ist jedoch die hohe Rezidivquote, d.h. viele Patienten entwickeln neue Krampfadern. 

Sind die Stammvenen (Vena saphena manga bzw. parva) oder  Perforansvenen nicht mehr intakt, ist ein Varizenoperation ratsam. Während bei der primären Varikosis das Stripping der Krampfadern und die Unterbindung krankhaft veränderter Perforansvenen die Therapie der Wahl ist, verhält sich die chirurgische Therapie beim postthrombotischen Syndrom sehr viel komplizierter. Hier sind nämlich die Krampfadern als Umgehungskreislauf des durch die Thrombose geschädigten tiefen Venensystems entstanden (man spricht daher auch von sekundärer Varikosis). Würde man nun die Krampfadern entfernen, fällt dieser Umgehungskreislauf weg und der venöse Blutstrom müsste sich auf das ohnehin geschädigte tiefe Venensystem beschränken. Nennenswerte operative Maßnahmen sind beim postthrombotischen Syndrom daher lediglich die Unterbindung insuffizienter Perforansvenen und das Stripping von Krampfadern nur dann, wenn das Blut in den tiefen Venen ausreichend abfließen kann oder medizinisch: wenn nach einem Verschluß der tiefen Beinvenen durch einen Thrombus eine ausreichende Rekanalisierung der betroffenen Venen stattgefunden hat. Hierzu ist eine sehr genaue Diagnostik erforderlich!

Eine Herausforderung ist die Behandlung des Ulcus cruris, des gefürchteten „offenen Beines“. Auch hier gilt: das Fundament ist die Kompressionstherapie, meist mittels Kurzzugbinden und lokalen Schaumgummipolstern. Anfangs müssen die fachgerecht angelegten Verbände täglich gewechselt werden (s.o.). Die Patienten sollten mit ihren Kompressionsverbänden möglichst viel umherlaufen, damit ein starker Granulationsreiz auf die Wunde ausgelöst wird (Granulation bedeutet Neubildung von Gewebe auf der Wundfläche). Nach 1-2 Wochen kann meist auf einen gepolsterten Dauerverband umgestiegen werden. Nach Abheilung der Wunde muss  eine dauerhafte Kompressionsbehandlung mit Kompressionsstrümpfen erfolgen, in der Regel Stufe II.  



Die Wundbehandlung des Ulcus erfordert spezielle Kenntnisse: abgestorbenes Gewebe muss operativ abgetragen werden, stark nässende Wunden bedürfen spezieller Wundauflagen, um die Feuchtigkeit aufzunehmen, trockene Wunden wiederum müssen mit feuchten Verbänden versorgt werden, entzündliche Wundränder können mit Zinkpaste dünn abgedeckt werden. Gelegentlich sind auch Hauttransplantationen erforderlich.

Ganz wichtig: die chronisch venöse Insuffizienz kann nicht zur Aus- oder Abheilung gebracht werden, sie wird den Betroffenen ein Leben lang begleiten. Rechtzeitige Diagnose und Therapie helfen jedoch, das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern, das Krankheitsbild erfolgreich zu bessern und Komplikationen wie das Ulcus cruris zu verhindern.

Montag, 20. September 2010

Die chronisch venöse Insuffizienz: Diagnostik

Standardfragen zum Krankheitsverlauf  gelten der Familiengeschichte, der Thrombose-Anamnese, bereits erfolgten Behandlungsmaßnahmen (Kompression, Sklerosierung, Operation) und natürlich den Beschwerden.

Ein erfahrener Untersucher kann eine CVI oft schon auf den ersten Blick diagnostizieren, sofern er ihn auf die Knöchelregion richtet. Hier macht sich die CVI zunächst bemerkbar: Knöchelödeme,  kleine Krämpfäderchen, die kreisförmig um den Fußrand laufen kann, was man als Corona phlebectatica bezeichnet, Braunverfärbung der Haut, Hautwunden (Ulcus cruris) oder aber auch Narben, sofern die Wunden abgeheilt sind und natürlich auch Krampfadern im Verlauf des Beines, was aber nicht zwingend sein muss. Es kann durchaus sein, das man die eigentliche Krampfadererkrankung erst durch weitergehende Untersuchungen entdeckt. Wichtig: eine Beurteilung erfordert ein komplett entkleidetes Bein, also ohne Schuhe oder Strümpfe!


Den Grad der Ödembildung kann man durch Fingerdruck auf die Schienbeinkante, Knöchel und Fußrücken prüfen, was immer an beiden Beinen erfolgen sollte. Wichtig für den Schweregrad ist auch der 24-Stunden-Verlauf der Ödeme: sind die Knöchel morgens nicht geschwollen, schließt das eine Beteiligung des Lymphgefäßsystems aus.

Zur Diagnostik im engeren Sinne gehört die Ultraschalluntersuchung der Beinvenen, nämlich die farbkodierte Duplex-Sonographie. Sie ist nicht schmerzhaft, belastet den Körper nicht mit irgendwelchen Strahlen und zeigt dem geübten Untersucher, in welchen Venenabschnitten die Blutströmung nicht in Ordnung ist. In bestimmten Situationen kann auch eine Phlebographie erforderlich werden. d.h. eine Kontrastmitteluntersuchung der Venen. Meist handelt es sich um Patienten mit Ulcus cruris oder Ulcusnarben.

Farbcodierte Duplex-Sonographie

Sonntag, 19. September 2010

Die chronisch venöse Insuffizienz: Definition, Ursachen, Klinik


Von einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) spricht man dann, wenn die Transportfunktion der Beinvenen für das Blut Richtung Herz nicht mehr einwandfrei funktioniert und zu einer chronischen venöse Volumenüberlastung bzw. Druckerhöhung in den Beinvenen führt, wodurch im Laufe der Zeit charakteristische Hautveränderungen entstehen. Die CVI ist immer Ausdruck einer bereits fortgeschrittenen chronischen Venenerkrankung und bedeutet für den Betroffenen eine oftmals erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Sie verursacht chronische Schmerzen, eine eingeschränkte Mobilität die sowohl die Berufstätigkeit beeinträchtigt als auch  Freizeitaktivitäten, zu sozialer Isolation und Depression führen kann.

Die CVI kann verursacht werden durch:

  • Varikosis (Krampfadern)
  • tiefe Beinvenenthrombosen (TVT)
  • angeborene Störungen im Beinvenensystem

Die Krampfadererkrankung ist der häufigste Auslöser einer CVI, insbesondere dann, wenn sie viele Jahre besteht und keine Behandlung erfolgt. Es kommt zu Störungen in der Mikrozirkulation, zur Erweiterung der Venen, deren Wände für Flüssigkeiten durchlässiger werden (medizinisch Permeabilitätsstörungen). Die in das umgebende Gewebe ausgetretene Flüssigkeit zieht Leukozyten an, wodurch es zu lokalen Entzündungsreaktionen kommen kann, die im Laufe der Zeit das Gewebe samt Haut schädigen. Die Haut wird lederartig derb, fühlt sich rauh und trocken an, was wiederum Juckreiz auslöst. Durch Kratzen entstehen kleine Hautverletzungen, die nur schwer oder nicht mehr abheilen.

Aber auch bei der TVT nehmen die Venenklappen Schaden, so dass der Blutfluss Richtung Herz dauerhaft ins Stocken gehört, sich Umgehungskreisläufe ausbilden und Stauungsprobleme auftreten. Im Gegensatz zur Krampfadererkrankung führt eine TVT wesentlich häufiger und rascher zu einer CVI. Eine sog. postthrombotische CVI bilden besonders ältere Patienten aus, Übergewichtige und Patienten, deren Thrombosebehandlung nicht optimal war. Auch eine zweite oder gar dritte Thrombose im gleichen Bein erhöht zunehmend das CVI-Risiko. 

Die CVI infolge einer tiefen Beinvenenthrombose bezeichnet man auch als postthrombotisches Syndrom und gilt als die häufigste Komplikation venöser Thromboembolien: innerhalb von 1-2 Jahren entwickeln 20 - 40% aller Patienten eine CVI, nach 5-10 Jahren sind es 50 - 100%. Häufig ist ein sog. beschwerdefreies Intervall nach einer TVT, d.h. im 1. Jahr nach überstandener Thrombose sind viele Patienten völlig beschwerdefrei und glauben, sie seien nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen bevor dann doch  die ersten Anzeichen einer CVI auftreten.

Zu Beginn einer CVI machen sich zunächst in der Knöchelregionen Veränderungen bemerkbar: kleine Krampfäderchen tauchen auf, die sternförmig um die Knöchelregion herumlaufen (Corona phlebectatica),  ödembedingte Schwellungen, Ekzeme, bräunliche Verfärbungen der Haut, die sich zwar derb anfühlt, aber dennoch sehr empfindlich für kleinere Verletzungen ist. Im fortgeschrittenen Stadium kann sich schließlich aus kleineren Hautverletzungen das gefürchtete „offene Bein“ entwickeln, medizinisch Ulcus cruris. Besteht ein Ulcus cruris unmittelbar in der Nähe des Sprunggelenks, häufig ist es in der Umgebung des Innenknöchels zu finden, kann es zum sog. arthrogenen Stauungssyndrom mit Beweglichkeitseinschränkung des Gelenks kommen, was nach Jahren in einer Versteifung des Gelenks enden kann.


Häufige Beschwerden bei der CVI sind Schwellung, Schwere- und Spannungsgefühl in den Beinen, Schmerzen, nächtliche Wadenkrämpfe, Juckreiz und unruhige Beine. Typischerweise nehmen die Beschwerden bei Wärme, im Laufe des Tages und bei längerem Sitzen und Stehen zu sowie beim Hochlegen der Beine wieder ab.