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Varikozele - was nun?
Das Problem bei der Behandlung der Varikozele insbesondere bei Fertilitätsstörungen ist, das nicht vorhersehbar ist, welcher Betroffener von einer Behandlung profitiert und welcher nicht. Der Ausprägungsgrad einer Varikozele korreliert nämlich weder mit dem Schweregrad einer evtl. Fertilitätsstörung noch mit dem Behandlungsergebnis. Daher gibt es auch keine zuverlässigen Aussagen darüber, ob bereits eine Behandlung der Varikozele Grad 0 (subklinisch per Ultraschall nachweisbare venöse Abflussstörung) behandelt werden soll oder muss oder aber die Behandlung erst bei höhergradiger Varikozelen-Bildung sinnvoll ist.
Die Europäische Urologen-Vereinigung (EAU, Niederlande) hat folgende Empfehlungen herausgegeben (Stand 2010):
1. Die Behandlung der Varikozele ist empfehlenswert bei:
- unerfülltem Kinderwunsch und krankhafter Veränderung der Spermien
- schmerzhafter Varikozele
- Varikozele bei Kindern und kleinerem/zurückgebliebenem Hoden auf der gleichen Seite
2. Keine Behandlung der Varikozele bei:
- Varikozele und normales Spermiogramm
- Varikozele und krankhafter Veränderung der Spermien ohne Kinderwunsch
- Varikozele und Azospermie, d.h. völliges Fehlen von Spermien
3. Behandlung fraglich da Studien zur Belegung des Behandlungserfolges fehlen:
- Varikozele und zusätzliche Fertilitätsstörungen
- Varikozele bei Kindern und normaler Hodengröße (Kontrolle alle 6 Monate! In bis zu 70% der Fälle soll es zu einer spontanen Rückbildung der kindlichen Varikozele kommen!)
Behandlungsmöglichkeiten
Zur Behandlung einer Varikozele stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, operativ wie nicht-operativ. Ziel ist es, den venösen Reflux und dadurch den Blutstau im Venen-Plexus zu beseitigen.
Operative Verfahren
Zu den verschiedenen operativen Methoden gehört die hohe Unterbindung der Vena spermatica interna mit oder ohne Schonung der A. testicularis. „Hohe“ Unterbindung heißt, dass die Gefäße oberhalb der Leiste - in Höhe des Unterbauches - aufgesucht und durchtrennt werden. Ein anderer Begriff für diesen Zugangsweg ist auch „suprainguinal“.
Eines dieser Verfahren ist die Operation nach Palermo, die 1949 erstmals durchgeführt wurde und bei der das gesamte Gefäßbündel, also Vene und Arterie, unterbunden wird. Etwas schonender ist die Operation nach Bernardi, bei der lediglich die Vena spermatica interna unterbunden wird, die Arterie wird geschont. Unter den operativen Verfahren ist diese Operationsvariante seit Jahrzehnten das Standardverfahren: schnell, effektiv und komplikationsarm. Nachteil der beiden Verfahren ist der erforderliche „Schnitt“ im Bereich des Unterbauches. Er ist zwar nicht sehr groß, die Länge orientiert sich allerdings an der Speckschicht der Bauchdecke… Etwas eleganter ist der Durchführung des Eingriffes per „Knopflochchirurgie“, d.h. laparoskopisch über mehrere recht kleine Schnitte. Laparoskopische Eingriffe sind allerdings zeitaufwendiger und setzen auch eine spezielle Erfahrung des Operateurs voraus (laparoskopische Operationen sind nicht so einfach zu erlernen wie herkömmliche Eingriffe per „Schnitt“).
Der Vollständigkeit halber soll noch das inguinale Operationsverfahren nach Ivanessevich erwähnt werden, bei dem der Schnitt unmittelbar in Höhe der Leiste erfolgt und im Bereich des Samenstrangs sämtliche Venen unterbunden werden. Hierzu sollte ein Operationsmikroskop verwendet werden, damit die A. testicularis, die Lymphgefäße und feinen Nerven geschont werden können. Operationszeit und technischer Aufwand sind bei dieser mikrochirurgischen Variante deutlich höher.
Nicht-operative Verfahren
Nicht-operative Verfahren zur Behandlung der Varikozele werden auch als radiologisch-interventionelle oder angiographische Verfahren bezeichnet. Hierbei wird die Vene spermatica interna ähnlich wie bei der Krampfaderbehandlung der Beine verödet, d.h. sklerosiert. Es existieren zwei verschiedene Varianten:
1. retrograde Sklerosierung
Bei dieser Technik wird die Leistenvene auf der Gegenseite der Varikozele mit einer Kanüle punktiert (also bei einer linkseitigen Varikozele wird in der rechten Leiste gepikst) und über die Kanüle ein Katheter bis in die V. spermatica interna vorgeschoben bis knapp oberhalb des gestauten Venen-Netzes. Über den Katheter wird das Verödungsmittel injiziert, das zu einer Verklebung der Venenwände führt.
Über die rechte Leistenvene wird ein Katheter bis zur linksseitigen Varikozele vorgeschoben und dann das Verödungsmittel injiziert |
Nachteil: während der Maßnahme muss das Vorschieben des Katheters unter Durchleuchtung mit einem Röntgengerät kontrolliert werden. Bei einem geübten Behandler ist die Strahlenbelastung im Genitalbereich zu vernachlässigen. Es kann aber auch Behandlungen geben, die aus vielerlei Gründen längere Durchleuchtungszeiten benötigen, so dass die Strahlenbelastung nicht ganz ohne ist. Eine gute Mitarbeit des Patienten ist unbedingt erforderlich, während der Aktion sind immer weder Press-Manöver erforderlich.
Nicht alle Patienten sind für eine retrograde Sklerosierung geeignet. Bei 20% gelingt die Sklerosierung nicht, weil entweder technische Hindernisse nicht überwindbar sind oder der anatomische Gefäßverlauf Varianten aufweist, die ein Vorschieben des Katheters an die gewünschte Stelle vereiteln.
Die retrograde Sklerosierung wird übrigens von Radiologen durchgeführt, nicht von Urologen oder Chirurgen.
2. antegrade Sklerosierung (nach Tauber)
Eine Alternative zur retrograden Technik stellt die meist von Urologen durchgeführte Sklerosierung durch einen Zugang „vor Ort“ dar. Hierzu muss ein kleiner Schnitt in Höhe des Hodensacks nahe der Peniswurzel angelegt werden, über den eine gestaute Vene der Varikozele punktiert und ein kurzer Katheter bis in die Vene spermatica vorgeschoben wird, über den dann das Verödungsmittel injiziert wird. Damit lassen sich anatomische Probleme, die das retrograde Verfahren gelegentlich vereiteln, in aller Regel umgehen.
Nachteil: der kleine Schnitt und auch hier muss mit einem Durchleuchtungsgerät gearbeitet werden.
Die folgende Tabelle vergleicht die verschiedenen Behandlungsoptionen bezüglich ihrer Erfolgsquote und einer ausgesprochen schweren Komplikation, nämlich der Hodenschrumpfung.
Verfahren | Hoden-schrumpfung | Erfolglos, d.h. die Varikozele bleibt bestehen | Spezielles Zentrum |
Offen-chirurgisch (Op per Schnitt) | unklar | 0 - 29% | 0,2% |
Mikrochirurgisch | < 1% | 0,8 - 10% | 0,8% |
Laparoskopisch | keine | 3 - 7% | 1,3% |
Antegrade Sklero. | 0,6% | 5 - 9% | 3% je nach Schweregrad |
Retrograde Sklero. | keine | 10 - 24% | 2% |
Alle Verfahren, operativ und nicht-operativ, werden von der Vereinigung Europäischer Urologen als grundsätzlich gleich gut geeignet angesehen, um einer Varikozele zu behandeln. Es existieren viele Studien zu dem Thema, was eine Varikozelen-Behandlung beim Erwachsenen bringt. Hier kommt es natürlich immer darauf an, was das Ziel der Behandlung sein soll: Schmerzfreiheit? Geht der Kinderwunsch in Erfüllung?
Wird die Behandlung lediglich wegen Schmerzen durchgeführt, so können über 80% der Männer davon ausgehen, dass ihre Beschwerden nach der Behandlung abklingen.
Bei der Behandlung wegen eines unerfüllten Kinderwunsches sehen die Ergebnisse ernüchternd aus. Unabhängig vom durchgeführten Verfahren gilt die Behandlung der Varikozele statistisch gesehen ohne sicheren therapeutischen Nutzen in Hinblick auf die Schwangerschaftsrate. Die Behandlung der Varikozele führt zwar in vielen Fällen zu einer Verbesserung des Spermiogramms, erhöht jedoch nicht zwangsläufig die „Fruchtbarkeitsrate“ der betroffenen Paare. Eine grundsätzliche Indikation zur Varikozelenbehandlung in Hinblick auf einen unerfüllten Kinderwunsch besteht somit nicht, einen Versuch ist es aber sicher Wert.
Teil (1) verpasst? Hier lang...
Varikozele testis (1)
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