Krampfadern gibt es nicht nur an den Beinen, sondern können auch ganz woanders auftreten, nämlich im Bereich der Hoden. Das nennt man dann Varikocele testis oder kurz Varikozele.
Ursachen, Häufigkeit und hypothetische Folgen
Varikozelen entstehen durch eine Erweiterung der Venen, die Hoden und Nebenhoden umgeben. Dieses dichte Venen-Netz bezeichnet man als Plexus pampiniformis, über den das Blut aus dem Scrotum („Hodensack“) durch den Leistenkanal Richtung Herz transportiert wird. Die häufigste Ursache für einen gestörten Blutabfluss sind entweder insuffiziente Venenklappen oder aber auch das gänzliche Fehlen der Klappen. Auch sollen genetische und anatomische Ursachen eine Rolle spielen, so dass vermutlich mehrere Umstände zusammenkommen, die dann letztlich eine Varikozele auslösen.
Der venöse Blutstau im Venen-Netz kann zu einer tast- und sichtbaren Erweiterung der Venen führen und hat -zumindest in Tierversuchen- unmittelbare Konsequenzen für den Hoden:
- Erhöhung der Hodentemperatur um 1 bis 2° Celsius und dadurch Beeinträchtigung der Spermienreifung
- Rückfluss von Stoffwechselprodukten aus Niere und Nebenniere (Steroide, Katecholamine, Prostaglandine)
- Mikrozirkulationsstörungen im Hoden durch die venöse Druckerhöhung und dadurch Beeinträchtigung des Hodenvolumens
- hormonelle Störungen (erhöhtes FSH; FSH = follikelstimulierendes Hormon, wird zur Spermienreifung benötigt)
Wohlgemerkt: das sind tierexperimentelle Ergebnisse, deren Übertragung auf den Menschen rein hypothetisch ist, weshalb es hinsichtlich der Behandlungsbedürftigkeit einer Varikozele bei Erwachsenen auch keine einheitlichen Leitlinien gibt!
In der Literatur existieren unterschiedliche Angaben zur Häufigkeit von Varikozelen, nämlich zwischen 8 und 42% der männlichen Bevölkerung. In Deutschland haben Reihenuntersuchungen junger Männer, z.B. bei Musterungsuntersuchungen, eine Häufigkeit von ca. 20% ergeben. Von diesen 20% betroffener Männer sollen etwa 15% durch die Varikozelen-Bildung eine Fertilitätsstörung entwickeln, d.h. Probleme mit der Zeugungsfähigkeit. Zum Vergleich: 3% aller Männer ohne Varikozele haben ebenfalls Fertilitätsstörungen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Fertilität ist etwas anderes als Libido und Potenz! Varikozelen führen nicht zu Libido- oder Potenzstörungen!
Klinik und Diagnostik
90% der Betroffenen haben eine linksseitige Varikozele, 3% rechtsseitig und bei 7% tritt sie beidseits auf. Die überwiegend linksseitige Lokalisation hat anatomische Gründe: das linkseitig befindliche Venen-Netz führt das Blut über die Hodenvene (Vena spermatica) in die linke Nierenvene, in die sie fast rechtwinklig einmündet, was den zügigen Blutabfluss aus der Hodenvene in die Nierenvene erschwert. Hinzu kommt, das die linke Nierenvene selbst zwischen Bauchschlagader und einer kräftigen Darmarterie zieht und von beiden Gefäßen je nach Blutdruck auch mal „zusammengequetscht“ wird, wodurch es zu einem sich wiederholenden Blutstau bis in die Hodenvene kommen kann. Die rechte Hodenvene hat es da einfacher: sie mündet spitzwinklig in die untere Hohlvene (Vena cava inferior) und das war´s.
Die rechte V. spermatica (a) mündet spitzwinkling in die untere Hohlvene, die linke (b) im rechten Winkel in die Nierenvene |
Je nach Ausprägung des venösen Blutstaus im Plexus pampiniformis kann es zu einer Anschwellung des Scrotums auf der betroffenen Seite kommen, 2 bis 10% der Männer berichten auch von Beschwerden bzw. Schmerzen, die meist in der Leiste lokalisiert werden. Man unterscheidet verschiedene Ausprägungen einer Varikozele:
> nur per Ultraschall nachweisbar = subklinische Varikozele
Grad I:
> im Stehen nicht sichtbar, nur bei Betätigung der Bauchpresse
Grad II:
> im Stehen nicht sichtbar, aber ohne Bauchpressen tastbar
Grad III:
> im Stehen sichtbar
Zur Diagnostik der Varikozele gehört nicht nur eine körperliche Untersuchung im Stehen und im Liegen, sondern auch eine Doppler-Duplex-Sonographie der Blutgefäße.
Was eine Doppler-Duplex-Sonographie ist, wird hier erklärt:
Unbedingt erforderlich ist auch eine Untersuchung der Nieren mit Ultraschall, denn das venöse Abflussproblem aus den Hodenvenen kann in seltenen Fällen auch durch einen Nierentumor entstehen, nämlich dann, wenn der Tumor den Blutabfluss aus der Nierenvene behindert und sich das Blut bis ins Scrotum zurückstaut. Man bezeichnet diese Variante als „symptomatische Varikozele“ weil sie ein Symptom des Nierentumors darstellt. Auch das Hodenvolumen, also die Hodengröße, kann per Ultraschall ermittelt werden (normales Volumen > 12 ml/Seite).
Zur Ermittlung der Hodenfunktion wird ein sog. Spermiogramm angefertigt, das das Ergebnis einer Ejakulat-Analyse darstellt, sowie ein Hormonstatus, bei der das Blut hinsichtlich spezieller Hormone untersucht wird (FSH, LH, Testosteron).