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Sonntag, 5. September 2010

Das Economy-Class-Syndrom

Mitte der 1980er Jahre tauchten in der Fach- wie auch Laienpresse vermehrt Meldungen über thrombose-bedingte Todesfälle während und unmittelbar nach Langstreckenflügen auf. Die Beobachtung, dass während eines Langstreckenfluges Thrombosen auftreten können, war nicht neu. Bereits 1946 war ein kleiner Artikel aufgetaucht über einen Arzt, der auf einem 14 Stunden-Flug von Bosten nach Venezuela eine Thrombose entwickelt hatte. Nur, wer flog damals schon 14 Stunden?

Nach dem spektakulären Tod einer jungen Engländerin im Jahre 2000, die nach einem Langstreckenflug beim Verlassen ihres Flugzeuges in Australien am Gepäckband infolge einer Lungenembolie tot zusammenbrach, war das Medieninteresse groß und eine Horrormeldung jagte die andere:
  • 10% aller 50-70jährigen Flugpassagiere entwickeln einer TVT (=tiefe Venenthrombose)
  • 30 an TVT verstorbene Flugpassagiere am Flughafen Heathrow innerhalb von 3 Jahren
  • 4,3% aller Flugpassagiere zwischen 25 und 65 Jahren entwickeln eine TVT nach 3 Stunden Flugzeit
  • In jedem Jumbo Jet mit 400 Passagieren haben 3-4% eine TVT
  • Bei Flugreisen über 5000 km ist das Risiko einer TVT um das 20ig fache höher als auf Kurzstrecken

Diese Zahlenangaben sollte man sehr kritisch sehen, insbesondere, wenn deren Quellen nicht bekannt sind. In mehreren soliden Untersuchungen, u. a. einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO, wurden Häufigkeit, Pathophysiologie und Prävention von Reisethrombosen untersucht. Demnach verdoppelt bis vervierfacht sich das Risiko einer TVT nach einem Flug über 4 Stunden. Das absolute Risiko eines thromboembolischen Ereignisses auf einem Langstreckenflug beträgt etwa 1 : 6000 und ist somit deutlich geringer als in den Medien hochgespielt.

Ein schwacher Trost: Business- und First Class-Passagiere bleiben nicht verschont, 15% aller TVTs finden sich auf den teureren Plätzen.