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Samstag, 15. Januar 2011

Krampfader-Therapie: Kompressionsstrümpfe


Bei Kompressionstrümpfen denkt fast jeder sofort an unbequeme und zugegebenermaßen auch hässliche „Gummistrümpfe“. Das ist nicht ganz abwegig, denn die ersten Kompressionsstrümpfe wurden -  nachdem Goodyear 1839 die Vulkanisation des Gummis erfunden hatte - tatsächlich aus dünnen Gummifäden hergestellt. Die Zeiten sind jedoch vorbei: heutzutage werden Kompressionsstrümpfe statt aus Naturgummi aus synthetischem Material hergestellt, so dass die Strümpfe wesentlich dünner sind und einen akzeptablen Tragekomfort bieten.

 Neben den sogenannten medizinischen Kompressionsstrümpfen gibt es noch zwei weitere Strumpfarten:
  • Stützstrümpfe: werden aus Nylongewebe hergestellt und haben keinerlei medizinischen Nutzen!
  • Thromboseprophylaxestrümpfe: diese weißen Strümpfe sollen bei Krankenhausaufenthalten Thrombosen vorbeugen; zur Krampfader-Behandlung sind sie nicht geeignet!

Kompressionsstrümpfe unterscheiden sich hinsichtlich mehrerer Merkmale:

1. Strumpflänge

Man unterscheidet Waden-, Halbschenkel, Schenkelstrümpfe und Strumpfhosen. Faustregel: so lang wie nötig, so kurz wie möglich!

Waden-, Halbschenkel- und Oberschenkel-Kompressionsstrümpfe

Kompressions-Strumpfhosen gibt es auch für Schwangere mit nicht-komprimierendem Hosenteil sowie für Männer


2. Befestigungsarten

Kompressionsstrümpfe müssen gut sitzen und dürfen natürlich nicht nach kurzer Zeit wie eine Ziehharmonika Richtung Fuß rutschen. Bei Wadenstrümpfen ist ein guter Sitz meist kein Problem, bei längeren, bis über das Kniegelenk reichenden Strümpfen sind meist zusätzliche Halterungen nötig: Hüfthalter, silikonbeschichtete Haftränder oder sogar Hautkleber.



3. Kompressionsstärke

Schweregrad und Ausdehnung der Krampfader-Erkrankung bestimmen, welche Kompressionsstärke ein Strumpf haben muss, damit der gewünschte Kompressionseffekt erzielt werden kann. Unterschieden werden 4 versch. Kompressionsklassen:

Klasse 1/leicht
  • Risiko-Patienten
  • "schwere Beine"
  • Besenreiser und retikuläre Varizen
  • geringe Schwellneigung bzw. Ödemneigung

Klasse 2/mittel
  • einzelne Krampfadern
  • Stammvarizen ohne chronisch-venöse Insuffizienz (CVI)
  • CVI Stadium I und II
  • Schwangerschaftsvarizen mit Ödembildung
  • nach einer Krampfader-Operation
  • nach einer Verödungsbehandlung
(CVI Stadium I: behebbare Ödeme, dunkelblaue Hautverfärbungen am Fußrand, Krampfaderbildung im Bereich der Knöchelregion; CVI Stadium II: bleibende Ödeme, Verhärtungen von Haut und Unterhautfettgewebe, Stauungsekzem)

Klasse 3/kräftig
  • CVI Stadium III
  • tiefe Beinvenenthrombose
  • Störung der tiefen Beinvenen
  • Lymphödem, Lipödem
(CVI Stadium III: Ulcus cruris = "offenes Bein")

Klasse 4/sehr kräftig
  • Ödeme, die zu einer Verhärtung des Gewebes geführt haben
  • chronisches Lymphödem

4. Strickverfahren: rund oder flach?

Ein Kompressionsstrumpf besteht aus Zweizugmaterial (Längs- und Querdehnung). Um nahtlos zu sein, wird ein Kompressionsstrumpf im Rundstrickverfahren gestrickt, das auch in der herkömmlichen Strumpfproduktion bekannt ist.  Die Maschenzahl ist über der gesamten Strumpflänge gleich. Die unterschiedlichen Umfänge eines Beins werden durch eine unterschiedliche Vordehnung des elastischen Fadens erreicht, so dass das Gestrick in diesem Bereich insgesamt dünner wirkt. 

Eine zweite Variante sind flachgestrickte Strümpfe, die mit einer Naht wie eine Röhre zusammengenäht werden. Die flachgestrickten Kompressionsstrümpfe werden Reihe für Reihe nach einem Strickschema erstellt, wodurch die unterschiedlichen Umfänge  durch die Veränderung der Maschenzahl pro Reihe erzielt werden. Durch dieses Strickverfahren können auch sonst undenkbare Formen und Größenunterschiede passgerecht hergestellt werden. Flachgestrickte Strümpfe üben anhand von robusten Materialien einen flächig konstanten Druck auf das Bein aus, weisen die ideale Eigenschaft von geringem Ruhe- und hohem Arbeitsdruck auf und zeichnen sich durch einen perfekten Sitz aus.  Die Optik leidet zwar unter diesem Verfahren,  sie sind starrer und lassen sich nicht mehr so einfach anziehen, jedoch können so die Konturen der Beine wesentlich besser bekleidet werden. Flachgestrickte Strümpfe werden in der Regel bei starken Venenleiden oder Ödemen eingesetzt und haben die Kompressionsklassen II, III oder sogar IV. Es gibt sie „von der Stange“ oder individuell angefertigt. Letzteres ist vor allem notwendig, wenn besondere anatomische Verhältnisse vorliegen, also sehr umfangreiche oder sehr schlanke Beine.

Die Herstellung von Kompressionsstrümpfen ist hierzulande streng geregelt und muss bestimmten DIN-Normen entsprechen.


Verordnung und Anpassung von Kompressionsstrümpfen

Medizinische Kompressionsstrümpfe gehören zu den Hilfsmitteln, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden sofern eine Indikation vom Arzt gestellt worden ist. Als Patient erhält man also ein Rezept, auf dem alle wichtigen Informationen vermerkt werden müssen: Anzahl der Strümpfe, Strumpflänge, Kompressionsklasse, Diagnose sowie der Vermerk ob Konfektionsware („von der Stange“) oder Maßanfertigung. Zusätzliche Angaben beziehen sich auf die Art der Befestigung, Zeheneinschluss und das Strumpfmaterial, was bei Allergikern wichtig sein kann.

Die Strumpfanpassung setzt geschultes Personal voraus, was man eher im Sanitätshaus als in der Apotheke finden wird. Die Haltbarkeit von medizinischen Kompressionsstrümpfen beträgt bei regelmäßiger Nutzung ca. 6 Monate. Dann sind sie ausgeleiert und es müssen neue Strümpfe verordnet werden.

Übrigens: Hilfs- und Heilmittel belasten nicht in das Arznei- oder Heilmittel-Budget des verordnenden Arztes!


Anziehhilfen

Kompressionstrümpfe werden in der Regel nur tagsüber getragen, man zieht sie morgens an und abends wieder aus. Im Gegensatz zu den Kompressionsverbänden entfällt also das Problem der Hautpflege und der Körperhygiene.

Das Anziehen von Kompressionsstrümpfen ist nicht ganz einfach; es muss gelernt werden und stellt viele Patienten gerade zu Beginn der Kompressionsbehandlung vor Probleme. Vereinfacht wird das Anziehen und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen durch verschiedene Hilfsmittel, die ebenfalls per Rezept verordnungsfähig sind. 

Sowohl für Kompressionstrümpfe mit offener Spitze (die Zehen liegen frei) als auch für solche mit geschlossener Spitze (Zeheneinschluss) d.h. sind sog. Gleitsocken sehr hilfreich sein und das Anziehen der Strümpfe ist mit etwas Übung ruck zuck erledigt. Die in den folgenden Video-Clips gezeigten Handschuhe sind mit Gumminoppen versehen und verbessern die Griff-Fähigkeit und schonen die Strümpfe. Auch sie sind verordnungsfähig!








Weitere Anziehhilfen:










Trotz der vielen Hilfsmittel wird es immer wieder Patienten geben, die aufgrund ihres Alters, Gebrechlichkeit oder auch ihrer Körperfülle nicht in der Lage sind, sich ihre Kompressionsstrümpfe an- und auszuziehen. In solchen Fällen kann oder vielmehr muss ein ambulanter Pflegedienst via ärztlicher Verordnung damit beauftragt werden.


Risiken und Nebenwirkungen
  • Schlecht sitzende Kompressionsstrümpfe können durch Einschnürungen Schäden verursachen:
  • Hautnekrosen
  • Druckschäden von Nerven
  • tiefe Beinvenenthrombosen

Kompressionsstrümpfe dürfen nicht verordnet werden bei:
  • fortgeschrittenen arteriellen Durchblutungstörungen („Raucherbeine“)
  • fortgeschrittener Herzinsuffizienz
  • Venenentzündungen, die bereits zu einer Sepsis mit Fieber geführt haben
  • schwerer Beinvenenthrombose, bei alle, nicht nur die tiefen Beinvenen, durch Thrombusmaterial verstopft sind

Vorsichtig sollte man sein bei:
  • nässenden Hautveränderungen
  • Allergien auf das Strumpfmaterial
  • schweren Sensibilitätsstörungen der Beine
  • Rheuma-Erkrankungen