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Sonntag, 12. Dezember 2010

Tiefe Beinvenenthrombose (4): Therapie


Die TVT stellt einen angiologischen Notfall da, der sofortiges Eingreifen erforderlich macht. Die Ziele einer jeden Thrombosebehandlung sind:
  • weiteres Wachstum des Thrombus verhindern 
  • eine Lungenembolie verhindern 
  • ein postthrombotisches Syndrom verhindern

Die Therapie einer TVT ist überwiegend konservativ und besteht im Wesentlichen aus der Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten. Sofortwirksam ist das Heparin, das bei der ambulanten Behandlung gewichtsadaptiert in Form der „Thrombosespritzen“ gegeben werden kann. Je nach Ausdehnung der Thrombose besteht auch die Möglichkeit der Heparin-Infusionen, dann allerdings nur unter stationären Bedingungen.

Da die Gerinnungshemmung unter Umständen bis zu 6 Monate lang durchgeführt werden muss wird schließlich auf Tabletten umgestiegen. Das in Deutschland am häufigsten verordnete gerinnungshemmende Medikament in Tablettenform ist das Marcumar®. Die Marcumarisierung ist anfänglich etwas aufwendig da im Abstand von einigen Tagen die Blutgerinnung durch Blutabnahmen kontrolliert werden muss, da es etwas braucht bis die Tabletten wirken. Daher kann zu Beginn einer Thrombosebehandlung auf das Heparin nicht verzichtet werden. Neben der Medikamentengabe ist auch die sofort einsetzende Kompressionsbehandlung erforderlich, zunächst durch Verbände, später durch einen Kompressionsstrumpf. Das langfristige Ergebnis ist abhängig von der Fähigkeit des Körpers, das Gerinnsel selbst aufzulösen.

Während früher bei frischen Thrombosen „strikte Bettruhe“ verordnet wurde lautet die Devise heute nach Vorgaben des betreuenden Arztes „Laufen oder Hochlagern“. Es wird allgemein in den Leitlinien zur Behandlung einer TVT ein mehrfach täglich durchzuführendes Gehtraining für 20 bis 30 Minuten gefordert. Ansonsten sollte das Bein viel hochgelagert werden.

Der überwiegende Teil der Beinvenenthrombosen kann ambulant behandelt werden. Voraussetzung sind eine ausreichende Heparinisierung, konsequente Kompression und engmaschige ärztliche Überwachung. Der Patient muss sich zuverlässig an die Vorgaben halten und insbesondere bezüglich der Blutverdünnung und Kompressionstherapie absolut konsequent sein. Nicht geeignet für eine ambulante Behandlung sind Fälle mit massiver Beinschwellung, schweren Begleiterkrankungen, erforderlicher weiterer Diagnostik sowie Patienten, die mit der ambulanten Behandlung überfordert sind, zu Hause nicht betreut sind und keine regelmäßige ärztliche Versorgungsmöglichkeit haben.

Unter konsequenter Initialtherapie kommt es bei rund 25% der Patienten zu einer kompletten oder teilweisen Wiedereröffnung der Venen. Bei 30% der Patienten entwickelt sich nach 5 bis 8 Jahren  eine sekundäre Varikosis, die unbehandelt bis zum gefürchteten „offenen Bein“, dem sog. Ulcus cruris, führen kann. Auch wenn die TVT überstanden und glimpflich abgelaufen ist sollte sich jeder Patient regelmäßig auf Folgeschäden untersuchen lassen, damit rechtzeitig eingegriffen werden kann.

Es gibt noch weitere Therapiemöglichkeiten bei der TVT, die aber insgesamt selten durchgeführt werden: die Lysebehandlung und die Operation.

Jährlich werden in Deutschland rund 130.000 Patienten mit einer TVT behandelt, wovon nur 600 bis 1000 eine Lysebehandlung erhalten. Das liegt zum einen daran, dass weniger als 20% der Patienten für eine Lyse in Frage kommen und zum anderen daran, dass viele Patienten in Hinblick auf die möglichen Komplikationen dankend ablehnen. Bei der Lysebehandlung wird dem Patienten ein gerinnselauflösendes Medikament, am häufigsten Streptokinase oder Urokinase, entweder intravenös gegeben oder aber auch mittels eines Katheters unmittelbar in den Thrombus gespritzt, in der Hoffnung, dass sich dieser wieder auflöst. Die Lystherapie kann nur stationär auf einer Intensivstation durchgeführt werden und dauert wenige Tage bis hin zu 3 Wochen. Während der Lysebehandlung wird wie bei der erstgenannten Methode eine Heparinisierung durchgeführt, die überlappend in die Marcumarisierung übergeht. Die konsequente Kompressionsbehandlung ist selbstverständlich. 

Ein erhebliches Problem bei der Lysetherapie sind Blutungskomplikationen, was zur Folge hat, dass viele Patienten für die Lyse nicht geeignet sind: Patienten über 65 Jahren, Bluthochdruck, Schlaganfall in der Vergangenheit, Augenhintergrundveränderungen, die zu einer Blutung neigen, Hämorrhoiden, Darmpolypen, Magengeschwüre, in den letzen 14 Tagen vor Entwicklung einer Thrombose erlittene Verletzungen und/oder Operationen, Schwangerschaft  und Wochenbett, Tumorkrankheiten sowie bereits bestehende Gerinnungsstörungen. 

Die Lyse-Ergebnisse sind recht gut: zu einer vollständigen Wiedereröffnung der Venen kommt es in bis zu 60% der Fälle, die teilweise Eröffnung findet immerhin bei rund 30% der Patienten statt. Dennoch: diese guten Ergebnisse werden mit der möglichen Komplikation gravierender Blutungen erkauft, die immerhin bei 1,3% der Patienten auftreten und sehr dramatisch sein können. Auch kann sich der in Auflösung begriffene Thrombus von der Venenwand ablösen und zu einer Lungenembolie führen.

Operationen sind bei TVTs recht selten erforderlich und in Fachkreisen auch umstritten. Das Prinzip der Operation besteht darin, dass über einen Leistenschnitt ein Katheter in der betroffenen Vene bis über den Thrombus hinaus vorgeschoben wird. An seinem Ende kann ein kleines Ballönchen aufpumpt werden, mit dem dann der Thrombus mitsamt Katheter herausgezogen wird. Klingt gut, führt aber dennoch bei vielen Patienten noch vor der Entlassung aus dem Krankenhaus zu einer erneuten Thrombose. Merkwürdigerweise entwickeln trotz geglückter Operation mehr Patienten ein postthrombotisches Syndrom als nach der erstgenannten konservativen Methode. Eine Operation wird daher nur noch durchgeführt, wenn das Bein durch den thrombotischen Verschluss von nahezu allen Venen gefährdet ist und abzusterben droht oder aber die untere Hohlvene, die das Blut aus den Beckenvenen zum Herzen führt, von einem Thrombus verschlossen sein sollte.